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003 - Der Totentanz

003 - Der Totentanz

Titel: 003 - Der Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alphonse Brutsche
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können. Dann nahm er alle Kraft zusammen, um sich zu beherrschen. Allmählich verging das Zittern, und er atmete wieder regelmäßig. Er fühlte sich jedoch unfähig, noch länger an der Seite des alten Magiers am Grab seiner armen Christine zu verweilen. Ein Stöhnen drang aus seiner Brust, er drehte sich um und ging mit langen Schritten davon.
    »Adieu, mein lieber Merlin! Adieu … und auf Wiedersehen.«
    Bornimus’ Stimme klang deutlich an Pierres Ohr. Der Alte war am Grab stehen geblieben. Was hatte er vor? Pierre wollte es gar nicht wissen. Er musste den furchtbaren Ort so schnell wie möglich verlassen, um nicht noch völlig verrückt zu werden. Er wollte heimkehren und an nichts mehr denken, nur noch vergessen …
    Die letzten Worte des Alten trieben ihn nur noch schneller vorwärts.
    Bei seiner wilden Flucht stieß er mit einem Mann zusammen, der sich über ein Grab gebeugt hatte, ein stummer Schatten, der sich in der Finsternis seinem einsamen Kummer hingab. Pierre entschuldigte sich nicht einmal. Er lief davon wie gejagt. Er erreichte die Hauptallee, in der die Eiben vom Wind bewegt wurden, und der Wind schien auch, ihn von hinten zu stoßen, so als wolle er ihn so schnell wie möglich von diesem Ort vertreiben.
    Es regnete nicht mehr. Nur der Sturm ließ ihn frösteln, als er an der Pförtnerloge vorbeieilte. Seltsamerweise stand der alte Wächter trotz des schlechten Wetters vor der Tür seines Häuschens. Er erkannte Pierre und winkte ihm zu.
    »Ah, da ist ja unser Stammgast!« rief er. »Merkwürdiges Wetter heute, was? Sie haben ganz recht, dass Sie schnell nach Hause wollen.«
    Merkwürdiges Wetter heute … Diese Worte gingen Pierre im Kopf herum und bekamen für ihn eine besondere Bedeutung. Er setzte seinen Weg fort, ohne den alten Mann zu grüßen, ja ohne ihm auch nur den Blick zuzuwenden. Er lief zum Tor hinaus und wandte sich nach rechts. Als er draußen an der Friedhofsmauer entlang ging, sah er sich suchend nach der Stelle um, an der sich die vermauerte Pforte befand. Ihm blieb fast das Herz stehen, als er sie plötzlich weit offen vor sich sah.
    Pierre lief wie gehetzt davon. Er rannte ein Stück, dann verlangsamte er keuchend den Schritt, danach setzte er sich wiederum in Trab. Die Straßen lagen fast völlig verlassen da. Der Wind pfiff hindurch, und die Bäume bogen sich unter der Kraft des Sturms. Es schlug sieben.
    Als er an einer Kette alter Häuser vorbeiging, löste sich ein Ziegel vom Dach, fiel ihm vor die Füße und zerbrach. Pierre blieb stehen. Er schloss die Augen und lehnte sich an eine Mauer. Dabei bemühte er sich, tief zu atmen. Es dauerte eine Weile, bis sein Herz wieder ruhiger schlug. Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
    »Ich bin krank«, stöhnte er leise. »Ich verliere den Verstand.«
    Er sagte sich, dass er sich unbedingt zusammennehmen müsse, dass er diese wilde, sinnlose Flucht nicht fortsetzen dürfe. Es war doch töricht, wie er sich benahm. Er war von einem alten Mann hereingelegt worden, der seinen Kummer dazu missbraucht hatte, ihm viertausend Francs aus der Tasche zu ziehen.
    Also gut, er war betrogen worden. Na und? Das Geld war ihm gleichgültig. Und weiter war nichts geschehen. Er durfte den Ereignissen nicht eine Bedeutung beimessen, die sie überhaupt nicht hatten, und musste die überspannten Gedanken, die ihn bewegten, aus seinem Geist vertreiben. Er musste an etwas anderes denken und sich ablenken.
    Pierre beschloss, nicht nach Hause zu gehen. Wenn er allein war, drangen seine Gedanken nur wie böse Geister auf ihn ein. Er wollte in die Stadt fahren, um in einem Restaurant zu essen. Danach … danach wollte er in ein Kino gehen. Das war eine gute Idee. Er hatte seit mehr als einem Jahr keinen Film mehr gesehen. Es tat ihm sicher gut, sich wieder einmal zu zerstreuen Er setzte sich wieder in Bewegung.
    Im Zentrum angekommen, ging er in eine Pizzeria, obwohl er keinen Appetit hatte. Danach suchte er ein Kino auf, in dem es einen Lustspielfilm zu sehen gab. Aber er konnte seine Aufmerksamkeit nicht auf das Geschehen auf der Leinwand konzentrieren.
    Nach zwei Stunden trat er den Heimweg an.
    Als er den Platz der Republik erreichte, sah er unwillkürlich zu den Fenstern seiner Wohnung hinauf.
    Im Schlafzimmer brannte Licht.
     

     

Plötzlich überwältigte ihn wieder das Gefühl des Unwirklichen. Das war doch nicht möglich. Oder doch? War etwa schon …? Er wagte den Gedanken nicht zu Ende zu denken.
    Wie angewurzelt blieb er stehen und sah

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