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003 - Der Totentanz

003 - Der Totentanz

Titel: 003 - Der Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alphonse Brutsche
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freundlich.
    »Ich wollte mit Ihnen sprechen, Herr Merlin«, sagte er. »Es ist wegen dem, was Sie zu meiner Frau gesagt haben. Entschuldigen Sie, dass ich ein bisschen unfreundlich war, aber wenn man acht Stunden am Fließband gestanden hat, braucht man seinen Schlaf.«
    Den Fuß auf der Treppenstufe, hörte Pierre mit höflichem Lächeln zu.
    »Sie haben doch gesagt, dass Sie eine Verwandte erwarten, nicht wahr?« fuhr Martin fort. »Eben ist nämlich eine Dame da gewesen, so etwa vor einer Stunde.«
    Pierre war zumute, als griffe eine kalte Hand nach seinem Herz. Mühsam stieß er hervor: »Eine Dame?«
    »Ja. Ich habe gehört, dass es ein paar Mal bei Ihnen geklingelt hat und da ist mir eingefallen, dass Sie ja jemand erwartet haben. Das hat mir meine Frau erzählt …«
    Pierre bemühte sich, ruhig zu bleiben. Ein Zufall, dachte er, nur ein Zufall. Es hat nichts zu bedeuten.
    »Was hat die Dame denn gesagt?« fragte er. »Kommt sie noch mal wieder?«
    »Gesagt hat sie nichts«, erwiderte Martin. »Sie hat ein paar Mal geklingelt, und da habe ich mir gedacht, ich werde mal nachsehen, vielleicht ist das der Besucher, den Herr Merlin erwartet. Ich bin in den Hausflur und zur Treppe gegangen, und da habe ich gesehen, dass sie vor Ihrer Tür stand. Ich habe ihr gesagt, dass Sie nicht da sind, und gefragt, ob ich Ihnen was ausrichten soll.«
    »Was … was hat Ihnen die … die Dame denn geantwortet?«
    »Ja, wissen Sie … Ich bin nicht rauf gegangen, und bei Ihnen vor der Tür, da ist es ja ziemlich dunkel, ja? Ich habe die Frau deshalb nicht richtig gesehen. Sie war schon älter, so ungefähr …«
    »Vielen Dank. Sehr freundlich von Ihnen. Tut mir leid, dass Sie gestört worden sind.«
    »Das macht nichts. Wir sind doch Nachbarn.« Der junge Mann verschwand wieder in seiner Wohnung.
    Pierre Merlin wandte sich der Treppe zu. Langsam, so langsam wie sonst nie, stieg er die Stufen empor. Vor seiner Wohnung stand niemand, und Pierre hatte auch nicht erwartet, dort jemanden zu finden. Wer war wohl die Besucherin gewesen?
    Pierre wollte die Antwort, die sich ihm aufdrängte, nicht wahrhaben. Er wollte sich sein Leben nicht von Hirngespinsten verderben lassen. Damit war jetzt Schluss.
    Wer mochte die Frau gewesen sein? Sie war schon älter, hatte André Martin gesagt. Nun ja, für einen Mann von fünfundzwanzig war eine Frau von fünfundvierzig schon älter, zumal Christine durch ihre schwere Krankheit älter gewirkt hatte. Die Martins wohnten erst seit sechs oder sieben Monaten im Haus. Sie kannten Christine nicht. Demnach …
    Aber nein, er wollte doch nicht mehr so absurde Überlegungen anstellen.
    Er zog die Schlüssel aus der Tasche und trat auf die Wohnungstür zu. Dabei knirschte etwas unter seinen Füßen. Er bückte sich und tastete mit den Fingern auf dem Boden umher.
    Dort lag etwas Erde, so wie man sie an einem regnerischen Tag vielleicht an den Schuhen herauf trägt. Er nahm einige Klümpchen zwischen die Fingerspitzen und hielt sie sich an die Nase.
    Ein modriger Verwesungsgeruch ging von ihnen aus.
     

     
     

Pierre Merlin saß im Bett. Er konnte sich nicht entschließen, die Lampe auszuknipsen. Er hatte Angst vor den Träumen, die ihm die Nacht bringen würde.
    Die Erdspuren hatten sicher nichts zu bedeuten, sagte er sich. Vielleicht hatte er sie sogar selbst mitgebracht. Aber sein Geist wollte sich einfach nicht mit einer so vernünftigen Erklärung abfinden.
    Schließlich übermannte ihn die Müdigkeit. Er konnte gerade noch die Lampe löschen und sich hinlegen, dann schlief er auch schon.
    Ein Geräusch weckte ihn. Er hörte die Stimme, die er so oft bei seinen inneren Zwiegesprächen wiedererweckt hatte.
    »Mach mir auf … mach mir auf!« befahl die Stimme aus dem Schattenreich.
    Pierre knipste die Lampe an und blinzelte ins Licht. Er lauschte. Nichts war zu hören … Doch! Ein leises Knacken … Es kam von der Decke her. Aber viele alte Häuser waren nachts von unbestimmten Geräuschen erfüllt.
    Pierre warf einen Blick auf die Uhr. Achtzehn Minuten nach vier. Wieder knackte die Decke. Nein, es war eigentlich kein Knacken, es klang eher wie ein Stöhnen.
    Unsinn! ermahnte er sich. Die Zimmerdecke knackte eben, weiter nichts.
    Das Geräusch wiederholte sich laufend. Pierres Blick ging von einer Seite der Decke zur anderen. Merkwürdig, das Geräusch wanderte.
    Wanderte … Ja, tatsächlich, es hörte sich wie Schritte an. Plötzlich war Pierre davon überzeugt, dass über ihm jemand

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