003 - Der Totentanz
umherging.
Er erstarrte. Dann begann sein Herz heftig zu klopfen. Während er gegen die Angst ankämpfte, die ihn erfüllte, gingen die Schritte langsam und regelmäßig über ihm hin und her.
Dann hörten sie plötzlich auf. Alles war still. Er zitterte. In dieser windstillen Nacht nahmen alle Geräusche an Bedeutung zu. Was war das? Er hörte einen anderen Laut. Es hatte geklungen, als würde eine Tür über ihm geschlossen.
Pierre schluckte nervös. Er bemühte sich angestrengt, weniger laut und heftig zu atmen. Über seiner Wohnung befanden sich nur die Abstellkammern. Er selbst benutzte sie nicht, aber vielleicht hatten die Martins dort Sachen untergebracht.
Doch wenn das der Fall war, so gingen sie bestimmt nicht mitten in der Nacht dort hinauf. Was konnte aber sonst dort herumlaufen? Ein Hund, eine Katze … oder eine Ratte?
Jetzt musste Pierre wieder an die Frau denken, die sein Nachbar gesehen hatte. Vielleicht hatte sich auch ein Obdachloser dort oben heimlich einen Unterschlupf gesucht.
Ja, das war sicher die Lösung des Rätsels.
Über seinem Kopf ertönte jetzt ein anderes Geräusch, das Pierre sich nicht erklären konnte. Etwas Hartes schlug gegen einen anderen harten Gegenstand. Jetzt wieder … und noch einmal.
Die Schläge erklangen jetzt in regelmäßigem Rhythmus. Unwillkürlich zählte Pierre die Sekunden, die zwischen den einzelnen Schlägen verstrichen.
Plötzlich wusste er, was die Geräusche zu bedeuten hatten. Es waren Schritte.
Jemand stieg die Treppe vom Dachboden herab und näherte sich der Wohnung.
Pierre zog die Decke bis an den Hals.
Klapp … klapp … klapp …
Die Schritte waren jetzt ganz deutlich auf dem hölzernen Fußboden zu hören. Nein, ein Obdachloser konnte das nicht sein. Er hätte sich bemüht, leise zu gehen.
Klapp … klapp … klapp …
Wieviele Stufen hatte die Treppe, die auf den Dachboden führte? Zwanzig? Dreißig? Die Schritte schienen eine Ewigkeit zu dauern. Zitternd wie ein Kind lag Pierre im Bett. Er hielt den Atem an. Jetzt waren die Schritte bei seiner Wohnungstür angelangt.
Es klingelte.
Pierre schloss die Augen und kroch tiefer unter die Decke. Der wohl vertraute, alltägliche Klang erfüllte ihn mit eisigem Entsetzen.
Wer sollte jetzt mitten in der Nacht klingeln, wenn nicht …?
Er wagte den Namen nicht zu denken. Nur ein Stöhnen drang über seine Lippen.
Wieder ertönte die Klingel.
Pierre knipste die Nachttischlampe aus. Mit angehaltenem Atem wartete er auf das dritte Läuten.
Stille. Es kam nicht. Dafür hörte er etwas an der Wohnungstür kratzen. Lange Nägel schienen über das Holz zu fahren, während jemand zugleich gegen die Tür drückte. »Nach dem Tod wachsen die Nägel noch weiter«, sagte eine Stimme in Pierres Kopf. Er zitterte am ganzen Körper.
Es war wie eine Erlösung, als die Schritte sich plötzlich der Treppe zuwandten und ins Erdgeschoß hinab gingen. Das Wesen, das vom Dachboden gekommen war und Einlass begehrt hatte, ging ruhig davon.
Nun war wieder alles still.
Pierre blieb noch einen Moment liegen, bis sein Atem ruhiger ging. Er war in Schweiß gebadet. Dennoch fühlte er sich jetzt besser. Das Schreckliche war vorbei.
Plötzlich kam ihm der Gedanke, dass er vom Fenster aus vielleicht seinen nächtlichen Besucher davongehen sehen könnte. Er sprang aus dem Bett und lief zum Fenster.
Der Platz lag verlassen da. Niemand war zu sehen. Doch! Rechts von ihm an der Ecke, an der eine Straße auf den Platz mündete, stand eine Gestalt. Jetzt war sie aus seinem Gesichtsfeld verschwunden. Vielleicht hatte er es sich auch nur eingebildet.
Das musste er genau wissen. Er zog sich die Schuhe an und streifte den Wintermantel über den Pyjama. Dann lief er die Treppe hinunter und auf die Straße.
Draußen war alles still. Pierre schauderte. Die kalte Luft brachte ihn plötzlich zur Besinnung. Es war ein Unsinn, dass er heruntergekommen war.
Er wandte sich der Straßenecke zu, an der er die schattenhafte Gestalt gesehen hatte. Nichts. Pierre musste husten. Das hatte er davon. Gewiss holte er sich noch eine Erkältung.
Rasch kehrte er ins Haus zurück. Die Beleuchtung im Treppenhaus war inzwischen ausgegangen, doch aus seiner Wohnungstür, die er offen gelassen hatte, fiel ein Lichtschein auf den Treppenabsatz.
Als er die letzten Stufen heraufkam, sah er etwas auf dem Boden schimmern.
Er bückte sich und hob den Gegenstand auf. Seine Hände waren eiskalt, aber die Kälte, die jetzt sein Inneres erfüllte, hatte
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