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003 - Der Totentanz

003 - Der Totentanz

Titel: 003 - Der Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alphonse Brutsche
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und ihm den Blick zuwandten, konnte Pierre von seinem Standort aus nur undeutlich erkennen.
    Er nahm Christines eisige Hand und zog sie mit sich. Sie ließ alles mit sich geschehen und folgte ihm, wenn auch recht widerwillig. Ihre Hand lag kalt und leblos in der seinen, und er hatte das Gefühl, eine große Puppe hinter sich herzuziehen.
    Pierre sagte sich, dass er offensichtlich vergessen hatte, die Wohnungstür hinter sich zuzuschließen. Dieses Versehen konnte jetzt leicht dazu führen, dass sein furchtbares Geheimnis ans Licht kam. Ein Glück, dass er Christine durch das Schaufenster gesehen hatte! Jetzt musste er sie nur in die Wohnung zurückbringen, ohne dass sie jemand bemerkte.
    Einen Moment mussten sie am Straßenrand warten, bis der Strom der Autos abriss. Gerade wollte Pierre sie mit sich ziehen, als er in der Bewegung erstarrte. Auf der anderen Straßenseite schickte sich André Martin gerade an, die Straße zu überqueren. Eine Begegnung war nicht mehr zu vermeiden. Er kam direkt auf sie zu, kam immer näher, war jetzt schon dicht vor ihnen. Pierre hörte, dass er vergnügt vor sich hinpfiff. Und dann geschah ein Wunder. Martin ging dicht an Pierre Merlin vorbei, hob den Kopf, und rief ihm ein fröhliches »Guten Abend, Herr Merlin«, zu und setzte seinen Weg fort.
    Völlig verdutzt sah Pierre ihm nach, bis er außer Sicht war. André Martin hatte ihn angesehen und gegrüßt, aber er hatte Christine nicht einen Blick geschenkt. Das verstand er nicht. Es war so, als ob Martin Christine überhaupt nicht gesehen hätte. Das konnte doch nicht sein!
    Immerhin war die Katastrophe noch einmal abgewendet. Er zog Christine mit sich. Als sie in der Wohnung angelangt waren, atmete er erleichtert auf.
    Er schloss sorgsam hinter sich ab und steckte den Schlüssel in seine Hosentasche.
    Langsam verging der Abend. Pierre hatte sich auf einem Küchenstuhl niedergelassen. Er konnte sich nicht dazu aufraffen, das Abendessen vorzubereiten. Appetit hatte er ohnehin keinen. Die volle Einkaufstasche hatte er auf dem Tisch stehen lassen, und nun deckte Christine mit schwerfälligen Bewegungen den Tisch.
    Als Pierre Frau und Kind essen sah, wurde ihm übel, aber er brachte es nicht über sich, die Küche zu verlassen. Die Hände vor den Augen, saß er da und hörte die Kiefer mahlen.
    Zu Beginn der Mahlzeit war Christine zu ihm getreten, hatte sich zu ihm herabgebeugt – dabei hatte er ein grässliches Knacken und Knarren ihrer Muskeln gehört – und hatte lautlos gefragt: »Willst du denn nichts essen, Liebling?«
    Pierre war unfähig gewesen, ihr zu antworten. Seine Frau hatte sich von ihm abgewandt, nachdem sie ihn mit ihren erloschenen Augen lange angeblickt hatte.
    Der Abend verlief wie der vorangegangene: Abwaschen, Antoine zu Bett bringen, und dann war Christine zu ihm gekommen, um ihn zum Schlafengehen zu bewegen. Doch Pierre war zu erschöpft gewesen, um sich zu erheben. Er war am Ende seiner Kraft, er konnte nicht mehr.
    Allmählich hatte sich sein großer Körper immer mehr auf dem Stuhl gestreckt, der Kopf war ihm vornüber gesunken, und er war eingeschlafen. Plötzlich fuhr er auf und sah vor sich das Gespenst aus dem Schattenreich stehen, das geduldig darauf wartete, dass er die alltäglichen Handlungen wieder aufnahm.
    Gleich darauf war er auf seinem Stuhl wieder eingeschlafen. Schreckliche Träume quälten ihn.
    Diesmal wurde er von einem Geräusch wach. Er wusste nicht, was es gewesen war, bis zum zweiten Mal die Klingel der Wohnungstür ertönte und ihn schlagartig zu sich kommen ließ.
    Benommen rieb er sich die Augen. Wie spät mochte es sein? Er warf einen Blick auf die Armbanduhr. Zehn nach vier Uhr morgens.
    Er erhob sich schwankend. Dabei wurde ihm bewusst, dass Christine nicht mehr vor ihm stand. Er blieb allerdings nicht lange im Unklaren darüber, wo sie sich befand. Im Korridor wurde eine Tür geöffnet. Christine hatte das Klingeln gehört.
    Jetzt war Pierre völlig wach und stürzte zur Wohnungstür. Dort sah er Christine stehen. Die Tür war weit geöffnet. Im Treppenhaus war es dunkel. Jetzt betraten zwei Gestalten die Wohnung.
    »Christine!«
    Das war alles, was Pierre über die Lippen brachte.
    Die Wohnungstür schloss sich wieder. Pierre spürte, wie ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken lief. Er hielt den Atem an. Die beiden Gestalten näherten ihr Gesicht dem Christines. Es war nicht daran zu zweifeln, dass die beiden nächtlichen Besucher Christine auf die Wange küssten. Pierre

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