003 - Die schwarze Rose
Waisenjunge erduldet hatte, und davor wollte er sie bewahren. Nur ihr hatte er seine Verletzlichkeit offenbart.
Er warf einen Stein über den Teich hinweg und sah ihn auf der Wasserfläche davonhüpfen. Wenn er an die Vergangenheit dachte, geriet er stets in melancholische Stimmung. Warum war er in Erinnerungen versunken? In seinem jetzigen Leben hatten jene Zeiten keinen Platz mehr - und für die gegenwärtige Situation keine Bedeutung.
Sollte er Chloes Angebot annehmen und sie heiraten, um sich ihren Besitz anzueignen? Dieser Gedanke, den er zunächst lächerlich gefunden hatte, erschien ihm mittlerweile sehr verlockend. Vor allem, wenn er die friedliche Stille des Gartens genoss.
Er streckte sich bäuchlings im Gras aus, legte den Kopf auf die verschränkten Arme und ließ seinen Nacken vom sanften Wind kühlen. Allmählich entspannte er sich, von leise plätschernden Wellen beruhigt, und senkte schläfrig die Lider.
Sollte er Chloes Angebot annehmen?
Bevor er einschlummerte, dachte er nicht mehr an das Haus und den Garten.
Zwischen Wachen und Träumen verwandelten sich die Wellen in rote Locken. In seiner Fantasie sah er, wie er die Hand ausstreckte, um eine seidige Strähne zu berühren, ehe sie davonglitt, und er wickelte sie um seine Finger. Nein, er würde sie nicht loslassen.
John lag im Gras und schlief tief und fest. Unter dem dichten Haar verbarg sich das Gesicht, das zu ihr gewandt war. Schwarze Breeches schmiegten sich an muskulöse Schenkel.
Wie wundervoll er aussah . . . Chloe schüttelte den Kopf. Offenbar konnte er jederzeit und überall einschlafen, und das war vielleicht auch nötig, wenn man das anstrengende Leben eines Frauenhelden führte. Sie ließ sich an seiner Seite nieder und betrachtete ihn. Als der Wind sein Haar emporwehte, sah sie ein sinnliches Lächeln. Was er träumte, schien ihm zu gefallen. Und warum hatte er eine Hand geballt? Was wollte er festhalten?
Vermutlich erlebte er in seinem Traum irgendein lasterhaftes Abenteuer. Chloe seufzte. Sicher würde es sehr schwierig sein, ihn auf den rechten Weg zu führen.
Aber nicht unmöglich.
Wie sie vorgehen musste, um ihr Ziel zu erreichen, wusste sie sehr gut. Sie würde ihn an einer langen Leine laufen lassen. Lang genug, so dass er sich damit aufhängen konnte. Bildlich gesprochen.
Wie kann ein dermaßen verworfener Mann im Schlaf so unschuldig aussehen?
fragte sie sich und verdrehte die Augen. Ein unschuldiger Lord Sex? Ha! Beinahe hätte sie laut aufgelacht. Sie beugte sich vor und strich behutsam eine goldblonde Strähne aus seinem Gesicht.
Ja, es würde sich lohnen, John in einen anständigen Mann zu verwandeln. Er hatte etwas Liebenswertes an sich. Das spürten alle Leute, sobald sie ihn sahen. Aber Chloe hatte stets geahnt, dass mehr in ihm steckte als der lässige, leichtfertige, sympathische Schürzenjäger. Die Wahrheit lag tief in seinem Inneren begraben - ein Herz aus Gold von einer Mauer umgeben, die er selbst errichtet hatte. Inständig hoffte Chloe, es würde ihr gelingen, diese Barriere niederzureißen.
Seit sie ihn kannte, spürte sie, dass sie zueinander gehörten. Nicht körperlich, sondern im Geist. So war es immer gewesen, und so würde es immer sein. Das musste sie diesem Schwachkopf nur noch klarmachen.
Und darin lag das Problem. Wie nahm man einen eins-fünfundachtzig großen Schurken an die Kandare? Irgendwie würde sie's schaffen. Sie holte tief Luft und sagte sich vor: Ich kann es - das weiß ich ganz genau. Diese Chance würde sie sich nicht entgehen lassen. Sie pflückte einen Grashalm und strich damit über Johns Lippen. Langsam öffnete er die grünen Augen. Wie erwartet war er sehr empfänglich für physische Reize.
„Ah, meine Süße", flüsterte er schläfrig.
Vertrauensvoll wie ein Baby, dachte sie belustigt. Zumindest, bis er hellwach ist.
„Hast du eine anstrengende Nacht hinter dir?" hänselte sie ihn.
Er drehte sich auf den Rücken. Da er ein paar Knöpfe seines weißen Hemds geöffnet hatte, genoss sie den Anblick seiner glatten bronzebraunen Brust und sah ein goldenes Amulett funkeln, bevor es, als er sich bewegte, unter dem Hemd verschwand.
Die Arme hinter dem Kopf verschränkt, schaute er lächelnd zu ihr auf. „Ich bin wie der Teufel geritten, um dich wiederzusehen. Erinnerst du dich?"
„Ja, das stimmt ..." Scheinbar unbewusst berührte sie ihre Lippen mit dem Grashalm. Diese Geste lenkte Johns Aufmerksamkeit sofort auf ihren vollen Mund.
Zweifellos entsann er
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