003 - Die schwarze Rose
indem er Chloe betont langsam vom Pferd gleiten ließ, so dass sich ihre Körper unschicklich lange berührten. Damit veranlasste er den Marquis, die Sonderlizenz zu erwähnen.
John war wortlos zum Stall geritten, eine kalkulierte Maßnahme, die weder eine Zustimmung noch eine Ablehnung bedeutet hatte. Obwohl er sich über das eigenmächtige Verhalten seines Onkels ärgerte, gab es an den simplen Tatsachen nichts zu rütteln. Er würde Chloe heiraten. Wenn es dem Marquis gefiel, die Sache in die Hand zu nehmen - warum nicht? John würde trotzdem nur tun, was er wollte.
Und der Wunsch, Chloe zu heiraten, hatte sich zu einem heißen Verlangen entwickelt. Diese Erkenntnis erzeugte erregende Fantasiebilder von der Hochzeitsnacht . . .
Auf der Zufahrt schlitterte eine vierspännige Kutsche um eine Biegung und verfehlte nur um Haaresbreite ein Küchenmädchen. John fluchte. An diesem Morgen beobachtete er schon zum fünften Mal, dass einer der Dienstboten dem lebhaften Verkehr der neugierigen Besucher, die sich im Herrenhaus einfanden, beinahe zum Opfer gefallen wäre. Irgendwie musste sich die Hochzeit herumgesprochen haben.
Nur zu gut konnte er sich das Getuschel vorstellen. Habt ihr's schon gehört? Der berüchtigte Lord Sex wird heiraten! Welch eine köstliche Pikanterie könnte zu diesem unglaublichen Ereignis geführt haben?
Seit dem frühen Morgen polterten Kutschen, Droschken, Landauer, Phaetons, Gigs und Karriolen in halsbrecherischer Geschwindigkeit die Zufahrt des Chacun à Son Goût herauf. Die „oberen Zehntausend" präsentierten sich in ihrem ganzen Glanz, und ihre Ankunft brachte den Haushalt völlig durcheinander.
Bevor John geflohen war, hatte er lächerliche Entschuldigungen für den Ansturm der unangemeldeten, ungeladenen, unwillkommenen Besucher gehört.
„Wir waren gerade in der Nähe und dachten, wir schauen mal vorbei."
„Unser Kutscher hat sich verirrt. Dürfen wir ein paar Tage bei Ihnen bleiben?"
„Als wir hörten, Sie wären erkrankt, Comtesse, machten wir uns sofort auf den Weg ..."
Inmitten dieses Wirbels hatte Simone verkündet, sie müsse eine Fonbeaulard-Tradition wahren und sich in den Wintergarten zurückziehen, um ein Kräutersträußchen für die Hochzeit ihrer Enkelin zusammenzubinden. Irgendein Unfug, der die Manneskraft des Bräutigams fördern sollte. Als ob er das nötig hätte!
Die arme Chloe musste die Rolle der Hausherrin übernehmen. Verzweifelt versuchte sie, all die Leute irgendwo unterzubringen, während sie unverschämte Fragen nach ihrer Beziehung zu Lord Sexton abwehrte. Manche Gäste bezeugten sogar ihr Beileid.
Gutmütig erbot er sich, Chloe nach Gretna Green zu entführen und ihr die ganze Hektik zu ersparen - worauf sie erwiderte, er sei selber Schuld an dem Tumult, den die Neuigkeit ausgelöst habe. Hätte er nicht diesen fragwürdigen Ruf erworben, würde sich niemand für seine Hochzeit interessieren. Deshalb, mahnte sie und drohte ihm scherzhaft mit dem Finger, müsse er jetzt seinem Ruhm gerecht werden.
Widerwillig gab er ihr Recht. Vielleicht, weil sie so hinreißend aussah, als sie im Haus umhereilte, das zerzauste Haar aus ihrer Stirn strich und französische Flüche murmelte. Bald würde sie in ihren Wandschrank kriechen, so wie früher als kleines Mädchen, und ihrem Zorn freien Lauf lassen.
Und tatsächlich - auf der Suche nach Chloe war John schon mehrmals in ihr Zimmer gegangen und hatte französische Schimpfwörter hinter den Türen des großen Möbelstücks gehört.
Anscheinend pflegten die Fonbeaulard-Damen ihren Unmut niemals in der Öffentlichkeit zu bekunden. Stattdessen fauchten sie Mahagoniholz an und glaubten, niemand würde
einen Schrank beachten, aus dem eine wütende Stimme drang. John lachte leise.
Wie bezaubernd Chloe manchmal sein konnte . . .
Nun erklang vor seiner Zimmertür eine andere Stimme. Deiters Räuspern. Nicht ganz so bezaubernd.
„ . . . erzählen Sie mir bloß nicht, Sie würden bei der Hochzeit ganz in Schwarz erscheinen!" Diese verächtliche Stimme, die John schon in vielen Albträumen verfolgt hatte, gehörte Sir Percy.
„Das ist durchaus akzeptabel", knurrte Deiter.
Ein schrilles Kreischen ertönte, und John stellte sich vor, wie ein konsternierter Percy an der Wand Halt suchte.
„Was einfach nur akzeptabel ist, kann man eben nicht akzeptabel nennen. Ts, ts, ts . . . Wo bleibt denn Ihr Stilgefühl? So geht's nun wirklich nicht."
Beinahe empfand John Mitleid mit Deiter. Jeder Mann, auf den Percy
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