003 - Die schwarze Rose
freundlich und gib mir Bescheid, wenn es so weit ist."
Wirkungslos prallte die Ironie an Sir Percys gepuderter Perücke ab. „Ja, selbstverständlich, mein Lieber."
Chloe beobachtete, wie dunkle Zornesröte in Johns Wangen stieg, und unterdrückte ein Kichern.
„Das Datum müssen wir noch festlegen." Maurice stellte seine Tasse auf ein Tischchen. „Wir haben Sie lange nicht gesehen, Sir Percy. Wo waren Sie denn die ganze Zeit?"
Auf diesen Augenblick hatte Percy gewartet. Endlich durfte er seine Klatschgeschichten zum Besten geben. „Oh, da und dort und überall!" erklärte er und warf seine Arme in die Luft. „Ein annus mirabilis, ein wunderbares Jahr! Neulich besuchte ich Lord Blankford, der mir erzählte, er habe während seines Aufenthalts in Wien einen hochinteressanten Pianisten gehört - in Baron von Swietens Haus. Erinnerst du dich an ihn, Sexton?"
John öffnete den Mund. Aber Percy wartete wie üblich keine Antwort ab.
„Nach Blankfords Meinung wird der Bursche seinen Weg machen, obwohl er ziemlich grimmig aussieht - ein Kopf wie ein Staubwedel ..." Abrupt verstummte er und betrachtete Deiter, der in seinem Sessel schlief.
Alle folgten Percys Blick. Wies ein Staubwedelkopf auf versteckte musikalische Talente hin? Was für eine bemerkenswerte Theorie . . . Der Deutsche begann zu schnarchen, und Johns Mundwinkel bebten. Als Chloe ihn anschaute, wäre sie beinahe in Gelächter ausgebrochen.
„Wie heißt dieser Mann?" fragte Maurice.
„Ein Schüler von Haydn . . . Moment mal ..." Percy kratzte sich am Kinn. „Wenn ich mich nicht irre - Beethaurel. Ja, genau! Ludwig van Beethaurel."
„Ludwig?" Chloe rümpfte die Nase. „Welch ein grässlicher Name ..."
John beugte sich vor und kitzelte spielerisch ihren Arm.
„Was können Sie uns sonst noch erzählen, Sir Percy?" Offenbar hoffte die Comtesse auf Neuigkeiten aus ihrer Heimat.
„Was man über Frankreich hört, klingt nicht gerade ermutigend, Madam. Die Schreckensherrschaft dauert an. Mit jedem Tag wächst die Zahl der Toten. Zu den jüngsten Opfern zählt die Comtesse Zambeau. Angeblich bemalte sie ihre Wangen auf dem Weg zur Guillotine mit Rouge." Er schüttelte traurig den Kopf. „Was kann man einer Frau vorwerfen, die sich so brennend für die Mode interessierte?"
„Zu-Zu?" In Simones Augen glänzten Tränen. „Doch nicht Zu-Zu!" Sie schnüffelte in ihr Taschentuch, und Chloe beobachtete sie erstaunt. Jahrelang war die Comtesse Zambeau ihrer Großmutter ein Dorn im Auge gewesen.
„Hast du nicht immer betont, sie sei ein Biest, Grandmere?"
„Ja." Anmutig betupfte die Comtesse ihre Lider. „Aber ein imposantes Biest."
„De mortuis nil nisi bonum", fügte Percy feierlich hinzu. „Über die Toten soll man nur Gutes sagen."
Maurice seufzte tief auf. „Hat sich die Schwarze Rose in letzter Zeit wieder gezeigt?"
Vor fast zwei Monaten war die Schwarze Rose zum ersten Mal in Frankreich aufgetaucht. Schon früher hatte sich der Mann einen gewissen Ruf bei verschiedenen Scharmützeln und Aktivitäten erworben. Aber seine Identität blieb geheim. Ganz allein, wie durch Zauberei, hatte er mehrere Aristokraten vor der Guillotine gerettet, und er war den französischen Behörden stets entronnen. Einem Gerücht zufolge veränderte er immer wieder sein Aussehen und benutzte eine raffinierte Tarnkleidung, um seine Spuren zu verwischen. Man hielt ihn für einen enteigneten Aristokraten. Aber niemand konnte genauere Angaben über seine Person machen.
„Davon weiß ich nichts", erwiderte Percy. „Doch ich habe ein Gedicht über ihn verfasst. Möchten Sie es hören?"
Gequält verzog John das Gesicht. Der Mann war ein miserabler Poet.
Mit majestätischen Schritten trat Percy in die Mitte des Salons, als wollte er Shakespeare rezitieren. Und er fühlte sich auch genauso wie der große Dichter.
„Der Pöbel fragt sich, wo kann er denn sein?
Man sucht ihn oben, man sucht ihn unten,
in der Nähe, in der Ferne und überall.
Doch die elende Rose bleibt stets verschwunden."
Alle applaudierten begeistert - bis auf John, der die Augen verdrehte.
„Tut mir wirklich Leid um Zu-Zu, Madam." Tröstend legte Percy eine Hand auf den Arm der Comtesse.
„Was wollen die Ungeheuer?" rief sie und schleuderte ihr Taschentuch zu Boden.
„Was hoffen sie, mit diesem Wahnsinn zu erreichen?"
„Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit", deklamierte John das Motto der Revolutionäre.
„Stehst du etwa auf ihrer Seite, John?" fragte Simone
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