0030 - Der Höllenlord
nahm im selben Augenblick abwehrend die Handflächen hoch. »Aber ich will Ihnen nichts«, fügte er sofort an. »Sie werden es gut bei mir haben. Ihre einzige Aufgabe wird darin bestehen, sich in meiner Nähe aufzuhalten. Ich habe in Paris die Venus von Milo gesehen. Sie brauchen keinen Vergleich zu scheuen. Ihr Körper ist unendlich schö- ner.«
Nicole Duval war ein sehr praktisch veranlagtes Mädchen. Sie konnte mit diesen Worten nichts anfangen. Nicht das geringste. Nur eines hatte sie herausgehört.
»Sie haben mich entführt?« kam es zornbebend. »Sind Sie sich auch über die Konsequenzen im klaren? Wissen Sie, was Ihnen blüht, wenn mein Chef davon erfährt?«
»Professor Zamorra?« Lord Cordow lachte.
»Er wird nichts dagegen haben, weil er nichts davon erfahren wird. Sie werden eines dieser unseligen Opfer, die während der letzten Jahre in dieser Gegend auf Nimmerwiedersehen verschwunden sind.«
Er lachte noch mal.
»Haben Sie tatsächlich noch nichts von der Weißen Frau und dem buckligen Moormörder gehört? Ihr bisheriger Arbeitgeber ist doch Parapsychologe. Da wird er sich schon eine Erklärung für Ihr Verschwinden zurecht erfinden. Okkultisten sollen wahre Meister auf diesem Gebiet sein.«
»Er wird mich finden«, sagte Nicole überzeugt. Alle Müdigkeit war wie weggeblasen. Sie war wieder im Vollbesitz all ihrer Kräfte.
Cordow lachte wieder. Noch breiter und noch herzlicher diesmal.
Und auch überheblicher.
»Sie verlangen etwas Unmögliches von Ihrem ehemaligen Chef. Er wird Sie nicht wiederfinden. Ich traue ihm zwar einiges auf dem Gebiet des Spiritismus zu. Aber das, was ich hier betreibe, hat mit Spiritismus überhaupt nichts zu tun. Ich bin Wissenschaftler. Ich bin Forscher. Ich bin ein Suchender. Wenngleich ich zugeben muß, daß auch ich meine kleinen Schwächen habe. Als ich Sie zum Beispiel heute Mittag das erste Mal sah, da wußte ich, daß ich Sie besitzen muß. Und jetzt habe ich Sie. Ihr Professor wird nichts daran ändern können. Er ist machtlos gegen mich. Er kann mir nicht einmal mit körperlicher Gewalt drohen. Bonzo ist imstande, allein eine ganze Armee aufzuhalten. Ich habe ihn so programmiert, daß nicht einmal eine Maschinengewehrsalve ihn davon abhalten könnte, das zu tun, was zu tun ich ihm einmal aufgetragen habe.«
»Programmiert?«
Cordow lächelte überheblich.
»Das menschliche Gehirn ist ein organischer Computer. Viel wirkungsvoller, als mechanische Elektronengehirne das jemals sein werden. Ich bin dem Geheimnis auf der Spur, wie man diese organischen Kapazitäten nutzt. Ich gebe zu, daß der letzte und große Erfolg mir noch nicht zuteil geworden ist. Aber ich werde es schaffen. Nur mehr wenige Experimente, und das menschliche Gehirn hat keine Geheimnisse mehr für mich.«
Nicole starrte verständnislos den Mann an, der freundlich wie ein wohlgesonnener Priester auf sie einredete.
»Ich erwarte auch nicht von Ihnen, daß Sie aus freien Stücken das Leben mit mir teilen wollen«, sprach Lord Cordow weiter. »Deshalb werde ich noch in dieser Nacht einen kleinen Eingriff an Ihnen vornehmen. Sie brauchen keine Angst zu haben. Sie werden keine Schmerzen fühlen. Und wenn die Haare wieder nachgewachsen sind, werden Sie vollkommener als je zuvor sein.«
»Sie sind wahnsinnig!«
Nicole war aufgefahren und biß sich ihre Knöchel wund. »Das können Sie nicht tun!«
Lord Cordow lächelte überheblich.
»Wer sollte mich daran hindern?«
Nicole sah sich gehetzt um.
Tadelnd schüttelte Lord Cordow den Kopf.
»Sie sollten nicht an Flucht denken. Es gibt kein Entrinnen. Ich habe mich entschlossen, ein lebendes Kunstwerk aus Ihnen zu machen. Sie müssen nur ein wenig Vertrauen zu mir haben.«
Die Angst verschloß Nicole den Mund. Sie war nicht mehr imstande, auch nur einen einzigen Ton hervorzubringen. Cordow schien ihr plötzliches Schweigen als Aufforderung zu betrachten, weiterzusprechen. Er tat es auch.
»Sehen Sie«, verfiel er in einen dozierenden Ton, »ich war noch bis vor drei Jahren ein ziemlich berühmter Chirurg. Aber gleichzeitig war ich eben auch nur ein normaler Mensch mit normalen Fähigkeiten.«
Er schmunzelte selbstgefällig.
»Wenngleich manche Fähigkeiten bei mir natürlich stärker ausgeprägt waren, als bei anderen. Ich war der Wissenschaftler unter Wissenschaftlern.«
Er legte eine Kunstpause ein.
»Und dann hatte ich zum Glück diesen Unfall. Sie staunen? Ich halte meine damalige Schädelverletzung wirklich für einen besonderen
Weitere Kostenlose Bücher