0030 - Der Höllenlord
Laubkronen brechen konnte und es am Boden nachtdunkel war, fand Bonzo unbeirrbar seinen Weg. Einen Weg, der ihn und sein Opfer Dunvegan Castle ungesehen immer näher brachte.
Die Frau in seinen Armen hatte die Augen geschlossen. Sie schlief.
Ihr Atem ging langsam und regelmäßig.
Bonzo kam überraschend schnell vorwärts. Er brauchte nicht die halbe Zeit, die Zamorra und Bill Fleming für die selbe Strecke benötigt hatten.
Doch er holte die beiden Männer nicht mehr ein. Nur kurz vor dem Portal, als er sein eines Auge zu den Klippen hinunter richtete, glaubte er kurz das Aufblitzen einer Taschenlampe zu sehen.
Bonzo kümmerte es nicht. Er schritt auf das Portal zu. Es wurde vor ihm aufgetan.
Lord Cordow erwartete ihn.
»Brav, Bonzo«, sagte er und streichelte dem Riesen wie einem Hund über den kahlen Schädel.
Das Monster grunzte zufrieden und beugte den Kopf noch tiefer.
Lord Cordow ging voraus. Wie an einem unsichtbaren Faden gezogen folgte ihm der Riese. Der Lord schlug den Weg zu seinem Turm ein.
»Leg sie hierher«, befahl er, als er den Salon erreicht hatte. Er wies dabei auf eine mit Goldbrokat überzogene Liege.
Behutsam legte Bonzo sein Opfer ab.
»Du kannst jetzt gehen«, sagte Lord Cordow. »Aber halte dich zur Verfügung.«
»Ja, Lord«, buckelte das Monster und zog sich rückwärtsgehend zurück. Bonzo war glücklich. Er hatte einen Auftrag seines Chefs zu dessen Zufriedenheit erfüllt. »Soll ich füttern?« fragte er kehlig an der Tür.
»Nein. Warte bis morgen früh. Gib ihnen dann erst die Leiche.«
Bonzo nickte, verbeugte sich nochmals und schloß dann die Tür zum Salon hinter sich.
Cordow wartete, bis die schlurfenden Schritte des Monsters verklungen waren. Dann sah er hinab auf die Französin, deren dünnes Nachthemd bis zu den Schenkeln hochgeschoben war. Er atmete den Duft ihres Parfüms. Ein verzückter Ausdruck war in seine Züge getreten.
»Wie ein Bild von Modigliani«, murmelte er. »Nein«, sprach er zu sich selbst weiter. »Kein Künstler dieser Welt ist imstande, so ein Bild zu schaffen.«
Sein Blick floß hinab auf die Frau auf seiner Liege, übergoß sich wie eine Flut auf den warmen, atmenden Körper. Es bereitete Lord Cordow ästhetischen Genuß, diesen vollkommenen Frauenkörper zu betrachten. Für ihn war er der Inbegriff des Vollkommenen.
Deshalb mußte er ihn haben.
Cordow dachte dabei nicht an so oberflächliche Dinge wie zum Beispiel Sex. Nein, das war es nicht, was ihn an Zamorras Sekretärin vom ersten Augenblick an fasziniert hatte. Er sah in ihr nicht so sehr die Frau. Er sah das Kunstwerk, das die Natur an ihr vollbracht hatte, ein Kunstwerk, das Lord Cordow unbedingt besitzen mußte.
Und jetzt hatte er es.
Es lag vor ihm auf einer Couch auf Goldbrokat. Sogar der sehr wertvolle Stoff erschien ihm nicht als der rechte Rahmen für dieses fleischgewordene Gemälde, diese Statue, wie sie seiner Meinung nach kein Künstler vollkommener in erlesenen Marmor schlagen konnte.
Cordow schaute hinab auf Nicole, die schlafend nicht ahnen konnte, wieviel Anteilnahme ihr in diesen Augenblicken gezollt wurde.
Die Anteilnahme eines Wahnsinnigen?
Die Anteilnahme eines Genies?
Lord Cordow ließ seine telepathischen Kräfte wirken, auf die er sich auch auf weitere Entfernungen verlassen konnte. Er hatte mit Gedankenkraft Nicole Duval in jenen Zustand versetzt, der sie so willfährig für seine Zwecke machte. Doch jetzt wollte er, daß Nicole wieder erwachte.
Er konzentrierte sich auf diesen Wunsch.
Wenige Sekunden später schlug Nicole die Augen auf.
Die Lider flatterten noch. Nicole nahm die fremde Umgebung wahr, den Stuck an der Decke, den Freskenzyklus darin, der eine biblische Szene in fünf Bildern darstellte. Dann glitt ihr Blick auf Lord Cordow, der wohlwollend zu ihr herunterschaute.
Nicole schrie spitz auf.
Lord Cordow lächelte.
»Keine Aufregung«, sagte er beschwichtigend. »Sie brauchen keine Angst zu haben. Sie sind in Sicherheit.«
Nicole Duval setzte sich auf. Gleichzeitig wurde sie sich ihrer dürftigen Bekleidung gewahr. Der nächste spitze Schrei war fällig. Diesmal klang er entrüstet.
»Lord Cordow!«
Der Lord lächelte. »Es freut mich, daß Sie mich sofort erkannt haben. Miß Duval, ich stehe voll zu Ihren Diensten.«
Ungläubig starrte Nicole den Mann an.
»Was reden Sie für Unsinn? Erklären Sie mir sofort, wie ich hierher komme!«
Lord Cordow lächelte dünn.
»Ich habe Sie entführen lassen«, sagte Cordow schlicht und
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