0030 - Der Höllenlord
Glückszufall, wie er nur besonders begnadeten Menschen zuteil wird. Buddha war so ein Mensch. Christus auch und dann noch vielleicht Mohammed. Die Grenzen sind weit gesteckt. Auch Alexander den Großen könnte man noch dazuzählen.«
»Auch Napoleon«, fiel ihm Nicole ins Wort. Ihre forsche Art hatte wieder Oberhand gewonnen. Lord Cordow mochte durchaus ein Genie sein, doch gleichzeitig war er auch größenwahnsinnig. Und wenn das seine einzige menschliche Seite sein sollte, dann war er doch nichts anderes als ein Mensch. Und gegen einen Menschen konnte man sich wehren.
Fand Nicole.
»Warum nicht auch Napoleon«, sagte er. »Ich sehe, daß Sie mich langsam begreifen.«
»Aber Napoleon hatte sein Waterloo«, schoß Nicole ihre Giftpfeile ab, »Christus sein Golgatha und Cäsar seinen Brutus. Auch Sie werden Ihren Meister finden, Lord Cordow.«
Cordows Züge hatten sich bei Nicoles Worten verzerrt. Hart schnitten sich Falten in die Mundwinkel, und die junge Frau hörte die Zähne hinter der angespannten Wangenmuskulatur knirschen.
Nicole glaubte sich schon wieder im Vorteil.
Der Schlag mitten in ihr Gesicht kam deshalb vollkommen unerwartet für sie. Der Kopf flog zurück, prallte gegen die hölzerne Lehne der Liege. Nicole biß sich die Lippen wund. Ein dünner Blutfaden rann aus ihrem Mundwinkel.
Lord Cordows Zornesadern waren angeschwollen, sein Mund verkniffen und die Augenbrauen zu einem Strich zusammengezogen.
»Sie wagen es, mich zu lästern?« keuchte er bebend. Er konnte sich kaum mehr beherrschen. Seine Überheblichkeit war wie verflogen, wie weggewischt von einer Welle aus Wut und dem Wunsch, einem anderen körperliche Gewalt zuzufügen, dem Wunsch, zu zerstören.
Doch Lord Cordow war nicht der Mann, der seinen Wünschen und Gefühlen nachgab. Langsam entspannten sich seine Züge wieder. Sehr langsam, doch dann überwand er sich immer besser, bekam sich immer mehr in den Griff. Dann konnte er sogar wieder lächeln.
»Sie bind ein ausgekochtes Luder, Miß Duval«, sagte er schließlich mit normal gewordener Stimme. Nur seinem schnelleren Atmen war zu entnehmen, daß er kurz vorher noch sehr erregt gewesen sein mußte. »Ich weiß noch nicht, ob ich meinen chirurgischen Eingriff nicht doch etwas modifiziere. Und zwar in der Art, daß solche Gedanken in Ihrem hübschen Kopf gar nicht mehr erst auftauchen können. Ein kleiner Elektroschock in einer bestimmten Sektion Ihres Gehirns, und Sie werden nie mehr irgendwelche Sorgen haben. Nur Ihre Lebensfunktionen blieben erhalten. Wie gesagt, das werde ich mir noch überlegen.«
»Sie werden nicht mehr viel Zeit dafür haben«, sagte Nicole kalt und voller Verachtung. »Professor Zamorra wird Ihr Verbrechen zu verhindern wissen.«
Cordow grinste geringschätzig. Er hatte die Maske des edlen Ritters und des Gentleman abgelegt.
»Auch Ihr Professor Zamorra wird noch auf meinem Operationstisch landen«, sagte er ungerührt. »Die Falle für ihn ist schon gestellt.«
***
Die Batterie der kleinen Zeltlampe war schwach und schwächer geworden. Mit ihrem letzten Licht wies sie den Männern noch den Weg in das Gebüsch, in dem Hark Merreny Stellung bezogen hatte.
Zamorras Stablampe schnitt einen hellen Kreis in das Geäst und in den getrampelten Pfad. Die Blutspritzer überall waren unübersehbar. Die beiden Männer wußten, daß sie nicht mehr nach Hark Merreny zu suchen brauchten. Lebend würden sie ihn nicht mehr finden.
Bill wollte sich nach der rotübergossenen Stahlstange bücken, deren Griff aus einem Dickicht ragte.
»Laß sie liegen«, sagte Zamorra gepreßt. »Das muß die Tatwaffe sein. Vielleicht sind Fingerabdrücke darauf, mit denen die Polizei etwas anfangen kann. Aber stecke sie ein wenig tiefer ins Gebüsch. Ich möchte nicht, daß sie verschwunden ist, wenn wir zurückkommen. Sei vorsichtig.«
Bill zog sein Taschentuch heraus und schlang es um den Griff, hob die Stahlstange auf.
»Ganz schönes Gewicht«, keuchte er dabei und drängte sich etwas seitwärts in die Büsche, ohne darauf zu achten, daß Dornen ihm die Kleidung zerfetzten. Dort lehnte er die Stange an einen dünnen Stamm. In einer Gabelung fand sie notdürftig Halt. Zumindest würde man sie jetzt nicht mehr auf Anhieb wiederfinden. Bill merkte sich die Stelle.
»Was jetzt?« fragte er und dachte mit Schaudern daran, was Hark Merreny zugestoßen sein mußte. »Glaubst du, es hängt mit den Blutspritzern an der Hose des Wirtes zusammen?«
»Kann sein«, antwortete Zamorra
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