0031 - Teufelstrank um Mitternacht
eine Frau.
Ihre Gebeine lagen wohlgeordnet in Kunststoffwannen, und wenn der Trank tatsächlich so gut war, dann würden die Knochen bald zusammenwachsen, um sich zu neuen grausamen Kreaturen zu vereinigen.
Doch ganz allein lebte er nicht in den Gewölben. Er hatte eine Assistentin.
Eine blondhaarige Frau.
Jane Collins!
Sie war diesem Teufel völlig verfallen, blieb bei ihm, weil sie in ihrem Innern nach dem Höllengebräu gierte. Sie war ohne Schwierigkeiten zu ihm gelangt. Er hatte sie in den Arm genommen, ihr in die Augen geschaut und wußte nun, daß sie aus eigener Kraft sich nie mehr von ihm lösen konnte.
Jane Collins lebte ein neues Leben. All die Jahre, die hinter ihr lagen, hatte sie vergessen. Sie dachte nur noch an den Trank.
Nach wie vor präsentierte sie sich in strahlender Schönheit.
Sie wartete auf den großen Moment.
Und der kam.
Genau um Mitternacht.
Fünfzehn Minuten zuvor schritt Graf de Besançon die steinerne Treppe zu den Gewölben hinunter. Er hatte sich umgezogen, trug schwarze, enganliegende Kleidung, so daß sein Gesicht bleich wirkte und er noch dämonischer aussah.
Jane Collins blickte ihm gespannt entgegen.
»Ist alles vorbereitet?« fragte der Graf.
Jane deutete auf die Flaschen. Fünf von ihnen bildeten eine Reihe. Sie standen auf einem alten Holztisch, der früher seinen Platz im Rittersaal gehabt hatte.
Bis zum Rand waren die Flaschen gefüllt. Nichts deutete daraufhin, wie gefährlich die Flüssigkeit war.
»Hast du dich genau an die Regeln gehalten?« erkundigte sich Gérard de Besançon.
»Ja. Ich habe jeweils drei Tropfen genommen, sie mit Knochenmehl vermischt, das Ganze in die Flasche gefüllt und mit einfachem Wasser verdünnt.«
Der Graf nickte zufrieden. »Sehr gut, meine Liebe«, lobte er Jane. »Jetzt muß es sich zeigen, ob wir genau gearbeitet haben.« Er trat an einen Glasschrank und holte einen Champagnerkelch hervor. Er war zwar leicht angestaubt, doch das störte den Grafen nicht.
Seine langen Finger strichen über den Hals der ersten Flasche. Dann zog er den Korken hervor. Er neigte die Flasche, kam mit dem Glas etwas entgegen und goß es halb voll.
Eine hellrote Flüssigkeit sprudelte in dem Kelch. Luftperlen stiegen hoch, so daß das teuflische Gebräu an Sekt erinnerte.
Der Graf drehte den Kelch in der Hand. »Ja, es ist gut«, flüsterte er. »Es vereint die Kräfte der Hölle, und wir werden sie zu wecken wissen. Komm mit!«
Jane ging neben ihm her. Vor der ersten Kunststoffwanne blieben sie stehen.
»Weißt du, wen du wiedererweckst?« fragte Jane.
»Nur bei einem. Das ist der treue Diener Jean.«
»Und dein Urahn?«
»Ihn kann ich nicht mehr erwecken. Sie haben ihn verbrannt. Und zuvor mit dem Zeichen des Kreuzes versehen. Selbst seinen Geist kann ich nicht beschwören.« Zornig trat er mit dem Fuß auf. »Aber die Rache ist mein!« zischte er. »Auch wenn über zweihundert Jahre vergangen sind. Und du, Jane Collins, wirst mir dabei helfen!«
»Ich tue es gern«, antwortete Jane tonlos.
Überhaupt sprach sie ohne Modulation in der Stimme. Wie ein Roboter. Seit sie zum erstenmal von diesem Getränk gekostet hatte, waren ihre Gefühle ausgeschaltet.
Der Graf beugte sich über die erste Kunststoffwanne. Am Kopfende lag der noch gut erhaltene Schädel des Gerippes. Die Wangenknochen standen vor, die Nase bildete ebenso ein Loch wie der weit aufgerissene Mund. Es schien, als habe der Tote, kurz bevor er starb, noch einmal Luft holen wollen.
Gérard de Besançon murmelte Worte, die außer ihm wohl niemand verstand. Noch weiter beugte er den Oberkörper, kippte den Kelch dann und träufelte etwas von der rosafarbenen Flüssigkeit in die Mundhöhle des Schädels.
Jane stand neben ihrem Meister und schaute mit unbewegtem Gesicht zu.
Der Graf leerte den Kelch, erhob sich und trat zwei Schritte zurück.
»Jetzt werden wir sehen, ob der Trank wirkt«, flüsterte er. Er war so erregt, daß er Janes Oberarm umklammerte und seine Finger hart in ihr Fleisch grub. Von irgendwoher drang ein kühler Luftzug in das Gewölbe, brachte die Flammen der Fackeln zum Tanzen und ließ den Widerschein gespenstisch über die Gesichter der beiden anwesenden Menschen huschen.
Noch tat sich nichts.
Sekunden vergingen.
De Besançon atmete schwer.
Jane hauchte. »Es… es gelingt nicht…«
»Aber es muß!« preßte der Graf hervor. »Es muß einfach. Oder alles war umsonst. Die drei sind der Beginn. Weitere werden folgen. Ich rechne mit Hunderten, mit
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