0031 - Teufelstrank um Mitternacht
weiter.
Schon bald sah er sich in einem regelrechten Labyrinth. Es gab Quergänge, Seitenstollen und finstere Nischen, in denen jede Art von Gefahr lauern konnte.
Sukos Nackenhaare stellten sich quer. Er spürte, daß etwas in der Luft lag, daß er nicht mehr allein war.
Jemand kam.
Suko hörte zwar keine Schritte, aber sein sechster Sinn hatte auf Alarm geschaltet.
Und getäuscht hatte sich der Chinese selten.
Auch diesmal nicht.
Hinter seinem Rücken hörte er ein schabendes Geräusch. Suko ging einen Schritt zur Seite und wirbelte herum.
Da sah er die bleiche Gestalt.
Sie stand nur zwei Schritte vor ihm, war kleiner als er und hielt eine brennende Fackel in der Hand. Der Schein reichte aus, um die kleine Holztür zu erkennen, die sich hinter dem Mann befand und aus der er gekommen war.
Der Schein reichte aber auch aus, um das Gesicht des Mannes zu beleuchten. Seine Eckzähne ragten weit aus dem Oberkiefer und berührten fast die Unterlippe.
Suko stand einem blutrünstigen Vampir gegenüber!
***
Ich lag auf der verdammten Streckbank und konnte mich nicht befreien. Dabei dachte ich daran, welchen Zweck solch ein Marterinstrument in der Vergangenheit zu erfüllen gehabt hatte, und bei diesen Gedanken wurde es mir heiß und kalt.
Doch mein Schicksal sollte anders aussehen. Jane teilte es mir mit. Meine Jane!
Himmel, wie hatte sie sich verändert. Nach außen hin schön wie eh und je, war sie innerlich doch zu einem regelrechten Monster geworden. Die Saat des Bösen hatte Jane Collins vergiftet. Und ich wußte nicht, wie ich ihr helfen sollte.
»Ich werde den Trank für dich bereiten!« zischte sie mir ins Gesicht. »Das Vergnügen lasse ich mir nicht nehmen, John Sinclair.« Sie lachte und schritt auf den Tisch zu. Dort nahm sie eine Flasche und setzte sie an den Mund.
De Besançon war schneller. Bevor Jane trinken konnte, riß er ihr die Flasche aus der Hand. »Laß es sein!« fauchte er sie an.
»Aber warum denn?« Jane heulte auf und verzerrte ihr Gesicht.
»Erst muß er einen Schluck nehmen.« Der Graf deutete auf mich.
Ich lag etwas im Halbdunkel, konnte von den beiden nicht gesehen werden.
Fieberhaft arbeitete ich daran, meine Hände frei zu bekommen. Die Streckbank war uralt, und ebenso alt war das Leder. Mit der Zeit war es brüchig geworden, hatte tiefe Risse und Kerben bekommen. Ich zerrte und dehnte und wollte erst einmal nur eins.
Zeit schinden!
»Ich habe noch eine Frage, Graf«, rief ich de Besançon an.
»Und?«
»Wenn ich wie Jane Collins auch davon getrunken habe, ist es dann für alle Zeiten vorbei? Oder gibt es noch eine Möglichkeit, das Geschehene rückgängig zu machen?«
Der Graf lachte.
Ich fieberte seiner Antwort entgegen.
»Ja«, sagte er nach einer Pause. »Es gibt noch eine Möglichkeit.«
»Sag sie ihm nicht!« schrie Jane. »Sag sie ihm nicht…«
»Warum? Ich bin doch kein Unmensch. Er soll seinen letzten Wunsch erfüllt bekommen.« Der Graf kam einen Schritt näher, und ich stoppte meine Befreiungsversuche.
»Gesetzt den Fall, Sie wollten Jane Collins retten, dann müßten sie bei ihr eine Art Blutaustausch vornehmen. Das heißt, Sie müßten von Ihrem Blut opfern, um sie wieder so werden zu lassen wie früher.«
Ich war mit der Antwort zufrieden. Eine Lösung gab es also. Doch Jane keifte: »Niemals, niemals würde ich so etwas zulassen. Ich hasse ihn. Ich hasse diesen verdammten Bastard. Gib ihm endlich zu trinken, Gérard!«
»Nein, meine Liebe, das wirst du übernehmen.« Der Graf wandte sich ab und hob eine Flasche an.
Mir blieb verdammt wenig Zeit. Wie ein Berserker zerrte ich an den Lederriemen. Sie mußten irgendwann brechen. Sie mußten es. Ich keuchte, der Schweiß lag dick auf meinem Gesicht. In meinem Schädel hämmerte und dröhnte es.
Aber ich gab nicht auf. Der Lebenswille mobilisierte sämtliche Kräfte in mir.
Weiter! Nur weitermachen.
Graf de Besançon füllte einen Sektkelch mit dem Elixier der Hölle. Rosafarben schimmerte die Flüssigkeit. Kleine Gasperlen stiegen der Oberfläche entgegen.
Jane nahm den Kelch entgegen. Ihre Hand zitterte ein wenig, und die Flüssigkeit schwappte über.
»Sei ganz ruhig«, sagte der Graf. »Er kann sich nicht befreien.«
Mit dem Glas in der Hand trat Jane Collins auf mich zu. Auch der Graf und das Skelett kamen näher. Sie wollten dabeisein, wenn ich den Höllentrank zu mir nahm.
Jane Collins flüsterte. »Du brauchst deinen Mund gar nicht zu öffnen. Schon einige Tropfen reichen, um dich zu
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