0031 - Wir durchschauten seine Maske
Telefon, ein Notizblock und ein Füllhalterständer aus Chrom und blankpoliertem Kunststoff um die Wette blitzten.
»Nehmen Sie Platz, Mr. Cotton«, sagte der Mann und gab mir meinen Dienstausweis zurück. »Ich bin Ihnen dafür dankbar, daß Sie im Sekretariat nichts davon sagten, von welcher Behörde Sie kommen. Die Leute malen sich dann immer gleich die unglaublichsten Dinge aus, wenn sie hören, daß ich Besuch von einem Herrn der Bundespolizei hatte.«
Er öffnete zwei Kästchen, eins mit Zigarren und eins mit Zigaretten. Ich nahm mir eine Zigarette, während er sich eine Zigarre ansteckte.
»Nun, Mr. Cotton, was führt Sie zu mir?« sagte er dann.
»Können Sie zweifelsfrei feststellen, ob ein Mr. Bat Quire in diesem Augenblick im Hause ist?«
»Sie fragen mich das nicht ohne einen triftigen Grund?«
»Natürlich nicht.«
»Kennt der Mann Sie?«
»Nein, ich glaube, nicht.«
Er ging von dem Rauchtisch, wo er Platz genommen hatte, zurück zu seinem Schreibtisch und drückte die Sprechtaste seines Vorzimmermikrofons nieder. »Mr. Quire soll sofort zu mir kommen mit dem Artikel über die Neubauten im Hafengelände.«
Er blieb hinter dem Schreibtisch sitzen und sagte: »Wir werden es ja sofort sehen. Quire ist einer meiner tüchtigsten Redakteure. Ach was, er ist der beste! Ich zahle ihm praktisch ein Gehalt von zweien, aber der Mann ist es wirklich wert.«
Wir rauchten schweigend, bis die Vorzimmerdame meldete, daß Mr. Quire draußen sei.
»Bitten Sie ihn herein.«
Quire kam. Hätte ich nicht gewußt, daß er einen Doppelgänger haben mußte, so hätte ich mich vielleicht verraten. So betrachtete ich nur sehr aufmerksam dieses Double, das da hereinkam. Er sah tatsächlich dem Bat Quire, den ich nur noch als Toten kennengelernt hatte, zum Verwechseln ähnlich.
Quire grüßte mich durch eine stumme Verneigung und trat dann mit einigen Hochglanzfotos und ein paar beschriebenen Blättern an den Schreibtisch zu Mr. Gray.
Die beiden fachsimpelten eine Weile über den Artikel.
Nach ein paar Minuten entließ ihn Gray und kam zurück zu dem Rauchtisch, an dem ich saß.
»Das war Bat Quire«, sagte er. »Ich bin bereit, das vor jedem Gericht zu beschwören.«
»Das glaube ich«, sagte ich mit einem nachdenklichen Nicken. »Wenn ich nicht sehr berechtigte Gründe für meinen Zweifel hätte, würde ich diesen Eid auch leisten.«
Gray sah mich ernst an. »Können Sie mir sagen, was los ist, Mr. Cotton?«
»Wenn Sie mir versprechen, daß Sie mit keinem Menschen darüber reden, will ich es Ihnen gern erzählen.«
»Ich gebe Ihnen mein Wort.«
»Okay. Heute nacht gegen halb zwölf wurde in dem Dorf Green Woods, fünfzig Meilen von der City entfernt, ein Mann mit einem Dolch ermordet, der diesem Mann, der eben im Zimmer war, so ähnlich sieht wie ein Ei dem anderen.«
»Aber es kann doch Quire nicht gewesen sein! Der war doch gerade bei mir!«
»Sind Sie dessen ganz sicher? Die Frau des Ermordeten behauptete nämlich, der Tote sei ihr Mann, heiße Bat Quire und sei von Beruf Redakteur beim ,Herald‘.«
»Aber das ist doch unmöglich!«
»Natürlich kann sich die Frau von der Ähnlichkeit verblüffen lassen und einen Fremden aufgrund dieser frappierenden Ähnlichkeit für ihren Mann halten. Aber wenn sich schon die Frau täuschen kann, um wieviel leichter können Sie sich getäuscht haben!«
Gray nickte zerstreut.
»Ja, ja, natürlich«, murmelte er. »Da haben Sie recht. Es ist schon möglich, daß ich mich getäuscht habe. Aber der Mann verstand auf jeden Fall etwas vom Zeitungswesen.«
»Das spricht wieder dafür, daß er der echte Bat Quire war«, erwiderte ich. »Hol’s der Teufel, ich steige da auch nicht mehr durch. Erzählen Sie mir doch mal ein bißchen über diesen Quire.«
»Vor drei Jahren war er Nachtredakteur. Ehrlich gesagt, ich habe ihm den Posten gegeben, weil er meiner Meinung nach nicht sonderlich befähigt für diesen Job war. Und als Nachtredakteur konnte er wenig verderben.«
»Also damals war er nicht gerade eine Leuchte?«
»Nein, weiß Gott nicht. Dann bekam er einen sehr ernsten Nervenzusammenbruch. Der Arzt verbot ihm praktisch die Nachtarbeit. Ich gebe zu, daß ich ihn nach seiner Genesung nur widerwillig in die Tagredaktion setzte. Aber die Wochen im Krankenhaus schienen ihm sehr gut getan zu haben. Er kam völlig verwandelt wieder. Er strotzte plötzlich vor Energie, war einfallsreich und entwickelte sehr viel Initiative. Vorher hatte ich ihn oft mal ein bißchen
Weitere Kostenlose Bücher