0033 - Der Pfähler
einfallen konnten und auch sie nicht verschonten.
Ihr Herz klopfte oben im Hals. Ihre Lippen murmelten Gebete, während sie durch den Nebel hastete und sich hin und wieder hastig umschaute, ob sie verfolgt wurde.
Doch niemand hatte sich auf ihre Fersen gesetzt…
Unangefochten erreichte Marie Marek ihr Haus. Der Wind war etwas stärker geworden und ließ einen alten Fensterladen klappern. Im gleichen Rhythmus schlug er immer wieder gegen die Hauswand. Marie stellte den Fensterladen fest und öffnete erst dann die Haustür.
Hastig schloß sie hinter sich ab. Sie fürchtete sich plötzlich, allein in diesem Haus zu sein. Nervös lief sie von einem Zimmer ins andere. Dann hatte sie eine Idee. Soviel sie wußte, lagen im Keller noch Knoblauchstauden. Und Knoblauch war für die verdammten Blutsauger das reinste Gift.
Es gab Menschen, die Vampire damit getötet hatten, indem sie ihnen Knoblauchstauden zwischen die blutgierigen Zähne stopften. Marie hatte etwas anderes vor. Sie wollte mit dem Knoblauch ihre Türen und Fenster sichern, damit die Blutsauger es erst gar nicht wagten, in das Haus einzudringen.
Aber dazu mußte sie in den Keller.
»Unbewaffnet« wollte Marie ihn auch nicht betreten, so sehr fürchtete sie sich.
Im Schlafzimmer, über dem Ehebett, hing ein großes Holzkreuz. Es wurde oft für die Prozession genommen und war mit geweihtem Wasser besprengt worden.
Das Kreuz wollte Marie mit in den Keller nehmen.
Sie verließ die Küche, ging in den Flur – und fuhr mit einem Schrei auf den Lippen zurück.
Im Hausflur stand die alte Varescu.
Und sie war ein Vampir!
***
Wir hatten uns bewaffnet.
Ich trug meine mit geweihten Silberkugeln geladene Pistole bei mir. Suko besaß solch eine Waffe ebenfalls, hatte sich aber zusätzlich aus dem Koffer die mit Eichenbolzen geladene Druckluftpistole eingesteckt. Ich verließ mich noch auf meinen Silberdolch, der mir schon manch gute Dienste erwiesen hatte.
Marek trug nur den Pfahl. Er machte seinem Spitznamen Pfähler wirklich alle Ehre.
Fröstelnd blieben wir einen Moment vor dem Haus stehen. Der Nebel war so dicht geworden, daß wir nicht die Hand vor Augen sehen konnten. Hinzu kam noch die Dunkelheit. Allein hätten Suko und ich den alten Soldatenfriedhof nie gefunden. Aber wir hatten einen ortskundigen Führer bei uns.
Dabei war es gar nicht sicher, ob sich die Vampirbrut überhaupt dort aufhielt. Diese Vermutung stützte sich allein auf Mareks Annahme.
Wir überquerten die Straße. Irgendwo klang dumpf aus dem Nebel das Mahlen von Rädern.
Ein Fuhrwerk, das unterwegs war.
Wir blieben nicht auf der Hauptstraße, sondern tauchten bald in eine Seitengasse ein, die neben einigen Gärten direkt auf den Wald zuführte.
»Der Friedhof ist uralt«, erzählte Marek. »Christliche Symbole werden wir dort kaum finden. Mörder und Schänder wurden hier begraben.«
»Genau der Ort, an dem sich Vampire wohlfühlen«, kommentierte ich.
Marek nickte.
Suko ging hinter uns. Er war der Mann, der am wenigsten Worte machte, auf den ich mich aber hundertprozentig verlassen konnte, wenn es darauf ankam.
Ich dachte an Jane Collins und an Bill Conolly, die ebenso wie Sheila in London zurückgeblieben waren. Jane wußte gar nicht, wo ich mich aufhielt, aber vielleicht hatte ihr Bill davon berichtet. Das hielt ich durchaus für möglich.
Die Büsche und Bäume in den Gärten kamen mir seltsam fremd vor. Der Nebel verwischte die Konturen, machte sie unkenntlich und formte mit seinen ewig wallenden Schleiern oft völlig neue Gebilde, die ängstliche Gemüter schon erschrecken konnten.
Wir gewöhnten uns an die graue Suppe, und Marek fand zielstrebig seinen Weg.
Jeder von uns hing jetzt seinen Gedanken nach, während wir durch den Nebel schritten.
Meine Gedanken beschäftigten sich mit D. Kalurac. Er befand sich nicht mehr in dieser Gegend, war entweder geflohen oder hatte sich bewußt ein anderes Ziel ausgesucht. Man nannte ihn den Schwarzen Grafen, im Gegensatz zu Vlad Dracula, der ja unter dem Beinamen »der Pfähler« in die Geschichte eingegangen war. Doch ich schätzte, daß Kalurac dem Grafen Dracula in Grausamkeit in nichts nachstand.
Da. Kalurac! Welch ein Name.
Ich murmelte ihn ein paarmal vor mich hin. Irgend etwas störte mich dabei. Ich wußte nicht, was es war, machte aber einige Wortspiele, in dem ich die Buchstaben vertauschte.
Ja, das war es.
Buchstaben vertauschen.
Da. Kalurac! Setzte man die einzelnen Buchstaben in eine andere Reihenfolge, so
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