0034 - Dracula gibt sich die Ehre
wollte schon seine Vampirzähne zeigen, doch er beherrschte sich.
»Ist Ihnen nicht gut, Sir?« fragte die Frau.
»Doch, doch…«
Hastig drückte sich de Louise an der Frau vorbei und verschwand um den nächsten Treppenabsatz. Er sah nicht die nachdenklichen Blicke, die ihm hinterhergeschickt wurden.
De Louise verließ das Haus. Langsam kroch das Grau der Morgendämmerung über die Londoner Häuser Schluchten. In den Straßen waberten noch Nebelschleier. Es war feucht und kühl geworden. Die Sonne hatte keine Chance, durchzubrechen. Und das freute Dom de Louise.
Sein Wagen parkte in der Garage. Er hatte diesmal keinen Chauffeur bestellt, sondern wollte selbst fahren. Es galt, Pläne zu schmieden und viel zu überlegen.
Wenig später rollte der schwere Rover langsam rückwärts aus der Garage. Schon bald hatte der Vampir die ruhigen Wohnviertel hinter sich gelassen. Er führ jetzt über die Park Lane, an der Ostseite des Hyde Parks vorbei, passierte das Hilton Hotel und das Wellington Museum. Über die Grosvenor Lane näherte er sich dem Regierungsviertel.
Ruhig hielt Dom de Louise das Steuer. Nichts an seiner Haltung verriet, daß er gestern noch ein ganz anderer gewesen war. Er sah aus wie immer, bewegte sich wie immer und redete wie immer.
Und doch war er ein Geschöpf der Finsternis. Wegen des leichten Nebels hatten sämtliche Fahrzeuge die Scheinwerfer eingeschaltet. Der Vampir stellte sich auf die gegebenen Verkehrsverhältnisse ein. Er fuhr jetzt über die Victoria Street. Je mehr er sich dem Regierungsviertel näherte, um so dichter wurde der Verkehr. London erlebte den Morgenstau. Nur im Schrittempo ging es weiter.
Und dann sah er das Gebäude von New Scotland Yard. Der schlanke Turm stach wie ein riesiger Finger in den bleigrauen Himmel.
Für einen Moment verzerrte sich das Gesicht des Vampirs. Durch Kaluracs Informationen wußte er, wer hier arbeitete. John Sinclair! Ihr erbittertster Feind.
Dom de Louise spielte mit dem Gedanken, einfach das Gebäude zu betreten, in Sinclairs Büro zu gehen und…
Er verwarf den Gedanken wieder, als sein Vordermann anfuhr. Die Autoschlange setzte sich im Kriechtempo in Bewegung. Zwanzig Minuten später fuhr ein Angestellter den Rover in die Tiefgarage, während sich Dom de Louise mit einem Lift in sein Büro hochschießen ließ. Es lag im vierten Stock.
Das Bürohaus stammte noch aus dem vorigen Jahrhundert. Mit seinen weiten, hohen Gängen und den wuchtigen Treppen wirkte es wie eine alte Schule oder ein archaisches Gerichtsgebäude.
Im Vorzimmer sprang seine Sekretärin auf, als de Louise den Raum betrat. »Guten Morgen, Sir!«
Der Vampir nickte grüßend zurück. Er zog die Doppeltür auf und verschwand in seinem Büro.
Es hatte zwei hohe alte Fenster. Trübes Tageslicht sickerte in den Raum. Trotzdem zog der Untote noch die schweren Vorhänge zu. Seine Lampe auf dem Schreibtisch drehte er so, daß der Schein einen senkrechten Kegel auf den Schreibtisch warf. Ein Teil der Post lag schon bereit. Es war wie an jedem Morgen. Aktennotizen mußten gelesen werden, dazu Rundschreiben und neue Anordnungen. Nur interessierte Dom de Louise das alles nicht mehr. Immer stärker spürte er den Drang, das zu tun, was ein Vampir tun mußte, um zu überleben. Es klopfte. Aber nicht an die Tür zum Vorzimmer, sondern an die zweite, die zum Büro des Assistenten führte. »Come in!«
Harold Farmer betrat den Raum.
Smart, jung, flexibel, angenehme Erscheinung. Um die Dreißig, und sehr dynamisch. Werbeagenturen suchten mit diesen markigen Worten ihre Mitarbeiter. Und in eine Agentur hätte Harold Farmer viel besser gepaßt.
Stets war er nach der neuesten Mode gekleidet, ging jede Woche zum Friseur und ließ sich dort auch seinen dunklen Oberlippenbart schneiden.
Er trug einen blauen Nadelstreifenanzug, der verdammt teuer aussah. Aber wenn man einen reichen Vater hatte wie Farmer, konnte man sich diese Kleidung leisten. Sekundenlang musterten sich die beiden ungleichen Männer. Dom de Louise haßte seinen Mitarbeiter. Er wußte, daß Farmer nur darauf wartete, seinen Posten zu besetzen. Der Emporkömmling lauerte förmlich darauf, den Sprung nach ganz oben zu schaffen, und er wartete, daß de Louise einen Fehler beging.
Doch der Vampir war ein alter Praktiker. So leicht machte ihm niemand etwas vor. Und dieser Theorieschnösel schon gar nicht. Wie immer lächelte Farmer, als er den Morgengruß entbot. De Louise nickte nur.
»Der Staatssekretär Thorpraine hat schon
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