0034 - Dracula gibt sich die Ehre
erwachte wie aus einem Rausch. Minutenlang hatte er in der knienden Stellung ausgeharrt. Jetzt kam er auf die Beine. Mit glänzenden Augen starrte er auf den am Boden liegenden jungen Mann. Farmer bewegte sich nicht, ganz ruhig lag er da.
Aber der Keim des Bösen war gesät…
Niemand hatte Dom de Louise beobachtet. Sicherheitshalber schritt er zur Doppeltür, öffnete sie und schaute in das Sekretariat. Wanda Perneil, die Vorzimmerelfe, war nicht da.
Bestimmt hockte sie wieder in irgendeinem Drugstore. Dort schaufelte sie Sahnetorte in sich hinein und dachte nicht im Traum an ihre Figur.
Aber das war de Louise jetzt egal. Hauptsache, seine Sekretärin war nicht im Haus.
Er schloß die Tür wieder und widmete sich seinem Assistenten und jetzigem Blutsbruder.
Im Büro gab es einen kleinen Waschraum. Er lag versteckt hinter einer Einbautür.
Dom de Louise öffnete die Tür und schleifte Harold Farmer in den Mini-Waschraum. Er winkelte Farmers Beine an, lehnte sie gegen die Wand und schloß die Tür wieder ab. Wenn Farmer soweit war, würde er sich schon melden. De Louise wischte sich über den Mund. Er fühlte die beiden Zähne, und als er die Hand zurücknahm, sah er auf dem Rücken einen roten Streifen.
Der Vampir lächelte böse. Gleichzeitig aber fühlte er sich zufrieden wie lange nicht mehr. Die Feuerprobe hatte er bestanden, jetzt freute er sich auf die Besprechung mit den vier Regierungsangestellten. Denn da wollte er sein Meisterstück liefern…
***
Himmel, war das eine Fahrt!
Wir hatten nicht das Glück, einen Taxifahrer zu treffen, und auch durch Geld und gute Worte war der Bürgermeister nicht dazu zu bewegen, uns seinen Dienstwagen zur Verfügung zu stellen. Er konnte uns nicht leiden.
Also tuckerten wir mit dem Bus los. Bis Sibiu erlebten wir alle Höhen und Tiefen einer Busfahrt. Als wir die Stadt schließlich erreichten, tat mir mein Hinterteil weh, weil ich auf einem Sitz ohne Federung gehockt hatte. Meine Gelenke waren so müde, daß ich erst einmal Gymnastik machen mußte. Sofort fuhren wir zum Flughafen.
Zu unserem Glück war der Nebel verschwunden. Am Flughafen reichten einige Scheinchen, um sich die Chartermaschinen aussuchen zu können. Schon bald waren wir in der Luft. Kurs: Bukarest.
Dann mit der Linienmaschine nach London. Zwischendurch rief ich noch bei Bill Conolly an, bekam aber keine Verbindung. Die Worte des Telegramms hatten sich in meinem Hirn festgebrannt. Alle waren wir während der Reise sehr ernst. Auch Fantisek Marek, dem es gelungen war, sich von seiner Frau loszueisen. Marie hatte schließlich ein Einsehen gehabt.
In Rumänien hatten wir uns mit Vampiren herumgeschlagen. Aber in London erwartete uns die Hölle. Dessen war ich mir sicher.
In Petrila konnte man die Vampirbrut einigermaßen unter Kontrolle halten. Doch London war größer, da fanden sie ihre Opfer, ohne daß jemand vorläufig Notiz davon nahm. Und bis wir es erfuhren, war es meistens zu spät. Der Vampirismus breitet sich immer nach dem Schneeballsystem aus. Verdammt, ich durfte gar nicht daran denken…
Wir schwebten London entgegen – und in den Nebel hinein. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Wenn wir auf einem anderen Flughafen landen mußten, ging noch mehr Zeit verloren. Ich erkundigte mich bei der Stewardeß. »Ist Heathrow frei?«
Sie lächelte. »Ja, Sir, wir landen in London.«
»Ich danke Ihnen.«
Nun, es wurde eine verdammt schwierige Landung, denn der Pilot mußte sich allein auf seine Instrumente verlassen. Sehen konnte er in der Waschküche kaum etwas. Ruckelnd setzte die Maschine auf und rollte ruhig aus. Den Passagieren fiel ein Stein vom Herzen. Und Marek auch. Er flog zum erstenmal in seinem Leben. Sein Gesicht zeigte eine ungesunde Blässe.
Die Kontrolle lief rasch über die Bühne. Jane Collins wartete schon auf uns. Sie flog mir in die Arme. »Mein Gott, John, es ist so schrecklich.«
Ich nickte. »Und Bill?«
»Er wartet bei mir zu Hause. Du kannst dir ja vorstellen, wie es in ihm aussieht.«
»Gewiß.«
Ich erklärte Jane, wer Marek war und welche Aufgabe er übernommen hatte. Wir klemmten uns dann alle in Janes VW. »Fahr uns zum Yard«, sagte ich. »Aber Bill ist…«
»Er soll mit einem Taxi hinkommen«, erklärte ich. »Powell wartet bereits auf mich.«
»Okay, John.«
Noch nie war mir die Strecke vom Flughafen bis zur Victoria Street so weit vorgekommen. Wie quälten uns durch Londons Nachmittagsverkehr und waren alle heilfroh, als wir das vom Dunst umflorte
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