0036 - Das Rätsel von Schloß Montagne
robusten Pfeilern lag.
Seine Kehle fühlte sich pelzig an bei der Erinnerung an damals.
Vielleicht war auch der Modergeruch daran schuld?
Zamorra wartete noch immer. Seine Sinne waren hellwach. Nirgendwo ein Flammenschein. Nirgendwo ein Hauch, der die Anwesenheit der Geister andeutete.
Er stand fünf Minuten da und lauschte in sich hinein. Er achtete auf jede winzige Wahrnehmung.
Dann gab er auf, wandte sich zum Gehen und verschloß sorgfältig die Tür mit dem Wappen wieder.
Die Dämonen hatten ihn versetzt.
Sie waren nicht gekommen, hatten seinem Befehl getrotzt.
Dann bleibt mir nur Herr Hämmerli, grübelte er. Immer sicherer fühlte Zamorra, daß der junge Schweizer von einem der Dämonen als Werkzeug benutzt wurde.
Auch er würde den Schweizer zum Werkzeug erküren. Und ihn eine Brücke schlagen lassen von sich zu den Mächten der Finsternis.
***
»Wo waren Sie bloß so lange, Chef?« sprach ihn Nicole erstaunt an, als er ins Speisezimmer zurückkehrte. »Der Diener hat Ihr Essen auf eine Warmhalteplatte gestellt. War etwas mit den Bauarbeitern nicht in Ordnung?«
»Doch, doch. Ich hatte bloß ein Ferngespräch zu führen…« winkte Zamorra ab. »Nicht der Rede wert, Nicole.« Er streifte Jills ernstes Gesicht mit einem schnellen Blick. »Leider werde ich Sie nicht nach Tours begleiten können, Jill. Aber meine Sekretärin könnte mitfahren. Das tun Sie doch gern, Nicole?«
Die Französin krauste ihre Nase. Das war für ihren Chef wieder einmal typisch: Sie hatte Lana Meredith schon zu Lebzeiten nicht gemocht. Frauen wie sie machten Nicole reizbar. Und nun sollte sie sie als Unfalleiche betrachten?
»Aber natürlich, Chef. Das ist doch selbstverständlich«, sagte sie honigsüß. »Vorausgesetzt, Miß Jill nimmt meine Begleitung an.«
Jill wandte den Kopf, sah Nicole kurz an. »Meinetwegen!« Ihre Stimme klang zerstreut. »Immer noch besser, als wenn der Professor mitfahren würde.«
»Das war deutlich!« Zamorra lachte. »Wieso können Sie mich eigentlich nicht leiden, Jill?«
»Vielleicht, weil Mummy so viel Wind um Sie machte!« Jill musterte den gutaussehenden Wissenschaftler kühl. »Möglicherweise ist es auch nur eine Trotzreaktion bei mir.«
»Alle Achtung!« lobte Zamorra. »Analysieren Sie Ihre Gefühle immer so treffend?«
Er lachte.
»Wären wir nur niemals hergekommen«, fuhr Jill mit monotoner Stimme fort. »Ich wäre lieber an die Rivera gefahren, oder meinetwegen an die Costa del Sol. Auch die Südküste von Irland hätte mich gereizt. Aber ein viele Jahrhunderte altes Schloß im Loire-Tal war das, was ich mir am wenigsten wünschte.«
Zamorra wurde ernst. Er nickte Jill zu. »Ich kann Ihre Gefühle nachempfinden, Jill. Gestern lebten Ihre Mutter und Ihr Verlobter noch.«
»Verstehen Sie mich bitte richtig, Professor«, sprach Jill achselzuckend. »Mummy war keine gute Mutter für mich. Ich liebte sie nicht besonders. Und Ken Baker war ein netter Kerl, aber keinesfalls verband mich mit ihm eine himmelstürmende Liebe. Ich frage mich…«
Sie stockte.
»Ja?« half ihr Zamorra weiter.
»… ob ich jetzt auch tot wäre, wenn ich Mummys Vorschlag angenommen hätte und mit ihr mitgefahren wäre.«
Es wurde still am Tisch.
»Und ich frage mich ferner«, fuhr Jill leidenschaftlich fort, »ob ich wohl das erste ›Opfer‹ der Dämonen gewesen wäre, wenn ich in der Nähe des Kamins gesessen hätte – auf dem Sessel, auf dem Ken umkam!«
»Ich würde mich an Ihrer Stelle nicht mit solchen Mutmaßungen quälen«, schlug Zamorra vor. »Sie leben jedenfalls.«
»Mich heben sich diese Dämonen natürlich bis zum Schluß auf«, versuchte Jill zu spotten. »Ich habe mich nämlich auch ziemlich auffällig über sie geäußert, Professor.« Ihre Mundwinkel zogen sich herunter. »Auf welche Weise es mich wohl trifft? Und wieviel Zeit mir wohl noch bleiben wird?« Sie lachte lautlos.
»Jill, hören Sie auf«, mischte sich Nicole ein.
Zamorra streifte Franz Hämmerli, der der ganzen Unterhaltung stumm gefolgt war, mit einem schnellen Blick. Er sah die blauen Augen des Schweizers eisig leuchten. So ein Feuer mußte die versunkene Sonne im hohen Norden bei den Mitsommernächten versprühen.
»Ich habe Sie bisher als oberflächliches, verwöhntes Girl gekannt, Jill«, sagte Zamorra betont sachlich zu der jungen Amerikanerin.
»Ich kenne noch mehr solche Mädchen wie Sie. Vielleicht ist es ein Privileg der Jugend, alles besser zu wissen, über jede Erkenntnis die Nase zu rümpfen und
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