0036 - Das Rätsel von Schloß Montagne
Hämmerli?«
»Also, wenn Sie mich so direkt fragen…« Der junge Schweizer räusperte sich verlegen. »Ich weiß nicht recht, Miß Meredith. Ich bin Ihrer Unterhaltung mit großer Spannung gefolgt. Und wenn ich irgendwo ein Zeichen von Dämonen sehen könnte, würde es mich überzeugen. Andererseits finde ich es prickelnd und aufregend, in einem Schloß zu weilen, in dem es spuken soll. Irgendwie gehört das zusammen. Geister und alte Schlösser sind …«
»Wie Himmel und Hölle! Es sind Gegensätze!« behauptete Jill.
»Aber Sie sind ja so beeindruckt davon, daß der Professor Sie als Gast in sein altes Gemäuer geholt hat, daß Sie ihm wahrscheinlich bedingungslos glauben wollen.« Sie sprang auf. »Miß Duval, ich kann in zwanzig Minuten fertig sein zur Abfahrt.«
»Gut. Ich warte in der Schloßhalle auf Sie!«
Jill Meredith lief hinaus. Sie ließ bedrücktes Schweigen hinter sich.
»Vielleicht können Sie sie überreden, Nicole weiter zur eisen«, murmelte Zamorra. »Ich habe nichts gegen gesunde Kritik. Aber Jill Meredith neigt genauso zu Übertreibungen wie ihre Mutter, allerdings genau umgekehrt. Ich kann im Augenblick solche Emotionen nicht verkraften.«
»Ich werde mir die größte Mühe geben, Chef!« versprach Nicole skeptisch. »Ich fürchte aber, daß ihre Sturheit noch größer als ihre Angst ist.«
»Angst?« fragte Zamorra scharf.
»Miß Meredith hat Angst?« fragte auch Franz Hämmerli bestürzt.
»Natürlich. Das merkt doch ein Blinder. Sie hat grenzenlose, eminente Angst, die sie kaum noch verhehlen kann«, erwiderte Nicole nachdenklich.
***
Der Wagenmotor war in der Ferne verklungen. Zamorra lehnte sich auf seinem Bett zurück und schloß die Augen.
Die beiden Mädchen waren jetzt nach Tours unterwegs. Er hatte Nicole eingeschärft, nicht zu schnell zu fahren und auf jede außergewöhnliche Wahrnehmung zu achten. Nicole wußte also, um was es ging.
Zamorra wandte seine Gedanken Franz Hämmerli zu.
Er versuchte, sich vorzustellen, was die Dämonen von ihm verlangten, ob sie ihm einen Auftrag gegeben hatten.
Er spürte das Amulett auf seiner nackten Brust unter dem Hemd, das längst die Wärme seines Körpers angenommen hatte. Es war ein gutes, verläßliches Gefühl, und immer, wenn Zamorra das Amulett aus dem Wandsafe nahm und die flache, feuerfeste Kassette mit dem Kombinationsschloß öffnete, spürte er, ›wie diese warme Kraft‹ auf ihn überging und Besitz von ihm ergriff.
Irgendein Goldschmied aus dem Orient hat den Anhänger vor langer Zeit ziseliert, durchfuhr es ihn. Leonardo de Montagne, mein Urahn, raubte dem zweiten Sohn des Kalifen die Lieblingsfrau. Zuerst als Geisel, dann gefiel sie ihm so, daß er sie nicht mehr hergeben wollte.
Zamorra versuchte, sich vorzustellen, wie diese Lieblingsfrau ausgesehen haben mochte. Braunhäutig, verwirrend, blutjung? In der Chronik hatte gestanden:
»Der zweite Sohn des Kalifen Achman hatte eine Frau, die rein war wie ein leuchtender Stern am Firmament und schöner als die aufgehende Sonne des Morgenlandes.«
Der Professor lächelte über die blumige Sprache dieser Schilderung.
»Der Kalif aber änderte seinen Sinn und machte ihm ein Amulett zum Geschenk, auf daß er herrsche über die Mächte der Finsternis, der Dämonen und Geister…« erinnerte sich Zamorra, gelesen zu haben.
Er starrte das Amulett an. Wie alt es schon war! Und es hatte im Lauf der Jahrhunderte noch nichts von seiner erhabenen Schönheit eingebüßt.
Vor achthundertsechsundsiebzig Jahren war dieses Amulett in den Besitz von Leonardo de Montagne, dem Schrecklichen, übergewechselt. Er aber hatte es nicht zum Wohle der Menschen, zum Kampfe gegen die Geister der Unterwelt eingesetzt, sondern Grausamkeiten begangen, die ihm den Namen »Der Schreckliche« eingetragen hatten. Er wurde der Hexerei beschuldigt. Die Menschen raunten einander zu, er gehe durch Feuer, ohne zu verbrennen, er gebiete über Sturm und Hagel, über Sonne und Mond.
Wann mag Leonardo der Gedanke gekommen sein, sich die Dämonen Untertan zu machen? fragte sich Zamorra. Er bannte die Dämonen in die Kellergewölbe des Châteaus. Er vernichtete sie nicht.
Er versuchte, sich auf diese Weise ein stummes, unsichtbares Heer Helfer zu schaffen, das er im Kampf gegen die Menschen einsetzen konnte. Er wurde immer mächtiger, grausamer… Er fühlte sich immer unbesiegbarer. Alle irdischen Güter der Welt waren erreichbar für ihn geworden.
Was mag aus des Kalifen Frau geworden sein in diesem
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