0036 - Das Rätsel von Schloß Montagne
krallte sich in dem Pergament fest und riß die zwei Seiten, auf die es ankam, heraus.
Er zerknüllte die Seiten zu einem Ball und ließ den schweren Band zu Boden fallen.
Er hatte den Befehl ausgeführt.
Langsam trat er hinaus in den Wehrgang, sah sich prüfend um und bemerkte, ohne daß sich seine Miene verzog, wie eine schwarze Katze in einem der Bogenfenster ihn bemerkte, ihren Rücken krümmte und auf ihn niederfauchte.
Franz Hämmerli hielt sie mit seinem Blick fest. Die Katze kreischte, ihr Fauchen machte einem Gewinsel Platz, angstvoll rollte sie sich zusammen. Aus dem stolzen, kleinen Raubtier war ein Bild des Elends geworden.
Soviel Macht habe ich als Diener der Finsternis? fragte sich Franz Hämmerli.
Im ehemaligen Vorratshaus, das er durchqueren mußte, um den Schloßhof zu erreichen, versteckte er die beiden zusammengeknüllten Buchseiten zwischen allerlei Gerumpel und trat dann auf den gepflasterten Schloßhof.
Er bemerkte Zamorra, der im Kreise einiger Bauarbeiter stand. Sie hatten einen Grundrißplan des südlichen Kellergewölbes zwischen sich ausgebreitet.
Was sie besprachen, konnte Franz Hämmerli nicht verstehen. Er ließ sich auf dem Rand des alten Ziehbrunnens nieder und blinzelte in die Sonne.
Eine Stimme war auf einmal hinter ihm.
»Dreh dich nicht um. Hier ist Maurice…«, flüsterte die Stimme.
»Du hast den ersten Auftrag richtig erfüllt. Jetzt kommt der nächste. Spiel den biederen Touristen, der für alte Schlösser schwärmt. Es gibt etwas, das ich haben will… ich muß es haben. Du mußt es mir beschaffen.«
»Was?« Franz Hämmerli fragte, ohne die Lippen zu bewegen.
»Zamorra hat ein Amulett um den Hals. Nimm es ihm weg. Es besitzt Zauberkräfte. Wenn ich es hätte, wäre ich unsterblich. Keiner von uns kann in Zamorras Nähe kommen, solange er das Amulett besitzt. Doch wir müssen ihn bestrafen. Er ist der einzige Nachkomme des schrecklichen Leonardo. Er muß büßen für das, was sein Urahn getan hat. Aber solange er das Amulett hat…«
»Hängt es an einer Kette um Zamorras Hals?«
»An einer Silberkette. Bringst du es mir?«
»Ich tue alles, was du von mir verlangst.«
»Ich bin mächtig. Zamorra wäre ohne das Amulett hilflos und schwach. Mich würde das Amulett nur noch stärker und unbesiegbarer machen. Suche es. Zuerst mußt du dir aber Zamorras Vertrauen erwerben…«
»Ich werde den Befehl ausführen.«
Zamorras Blick war auf Franz Hämmerli gefallen. Er löste sich aus der Gruppe der Arbeiter und schlenderte auf ihn zu.
»Nun, Herr Hämmerli? Gefällt Ihnen Ihr Gästeapartment?«
»Sehr, Professor. Ich kann Ihre Gastfreundschaft immer noch nicht fassen. Es war schon immer mein Wunsch, in einem richtigen Schloß zu wohnen.«
»Sie sind herzlich willkommen. Hoffentlich werden Ihre guten Nerven nicht strapaziert. Was sind Sie von Beruf?«
»Programmierer in einem Rechenzentrum in Zürich.«
Nachdenklich sah Zamorra den gutaussehenden, jungen Mann an.
Spielte er den naiven Einfallspinsel nur? Oder was steckte da dahinter?
»Ein interessanter Beruf«, lächelte Zamorra. »Die Technik ist also Ihr Lebensinhalt.«
»Vielleicht«, erklärte Franz Hämmerli treuherzig, »ist deshalb mein Ferienhobby so überraschend. Ich will wenigstens für wenige Wochen im Jahr der Technik die Historik entgegensetzen, in eine Zeit vordringen, als es die Technik noch nicht gab.«
»Sie sind unverheiratet, Herr Hämmerli?«
»Durchaus. Ich bin ein verschlossener Knabe!« fügte Hämmerli scherzend hinzu. »Und so ein Glück wie Sie, Herr Professor, hab’ ich nicht. Gleich von zwei so gutaussehenden Damen umgeben zu sein, nenne ich ein Glück ohnegleichen.«
Der geschraubte Redestil des Schweizers amüsierte Zamorra.
»Eine von Ihnen ist meine Sekretärin, die andere mein Gast aus Amerika«, erklärte er. »Doch ich muß Sie warnen, Herr Hämmerli: Lachen Sie bitte nicht, wenn ich Ihnen verrate, daß es hier im Château de Montagne Dämonen gibt.«
Franz Hämmerlis Augen weiteten sich.
»Wirklich, Herr Professor? Oh nein, ich lache nicht. Ich weiß, daß gerade der Spuk in alten Gebäuden zu Hause ist.«
Er sprach wie ein Automat.
Doch es gab etwas, das Zamorra daran hinderte, Hämmerli völlig zu vertrauen und vorbehaltlos »nett« zu finden.
»Ich sehe da gerade ein Kettchen um Ihren Hals, Herr Professor«, fuhr Franz Hämmerli fort. »Handelt es sich um ein altes Erbstück?«
Voller Unbehagen schob Zamorra den Kragen seines Hemdes etwas höher.
»Ja«,
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