004 - Anruf aus der Hölle
Sind diese erfundenen Geschichten die wahre Welt, das echte Leben für dich?«
Ernest Lodge starrte seine Tochter gereizt an. »Ich verbitte mir diesen Ton, Didi!«
»Ich lasse mir von dir keine Vorschriften mehr machen, Dad!«
»Didi!« rief Doris Lodge entsetzt aus. »Wie redest du denn mit deinem Vater?«
»Ich habe es satt, satt, satt!« schrie das blonde Mädchen. »Ich kann euer scheinheiliges Getue nicht mehr ertragen. Ihr behandelt mich wie eine Gefangene. Ihr liebt mich nicht. Ihr seid nicht meine Freunde. Ihr braucht jemanden, den ihr unterdrücken, den ihr eure Macht spüren lassen könnt. Aber damit ist es nun vorbei! Ich bin mit euch fertig! Ich bleibe nicht länger in diesem Gefängnis!«
»Didi!« rief Doris Lodge wieder und begann zu weinen.
»Da siehst du, was du angerichtet hast!« schrie Ernest Lodge außer sich vor Wut. »Jetzt weint deine Mutter!«
»Das ist mir egal! Ihr habt auf meine Gefühle auch noch nie Rücksicht genommen!«
Ernest Lodge sprang auf. »Du hartherziges Flittchen! Dir werde ich’s zeigen!«
Er wollte Didi ins Gesicht schlagen, holte aus, doch das blonde Mädchen wich blitzschnell aus, und der Schlag ging daneben. Didi wirbelte herum. Sie hörte ihre Mutter aufschluchzen, riß die Tür auf und stürmte aus der Wohnung. Weg, nur weg von hier! Und sie wollte nie mehr hierher zurückkehren. Das Martyrium sollte ein Ende haben. Sie wollte mit Matt zusammenziehen. Sollte er sie nicht haben wollen, dann würde sie zu Irmy, ihrer Freundin, gehen.
Irmys Wohnung war groß, und sie hatte ihr schon einmal das Angebot gemacht, zu ihr zu ziehen. Aber Irmy wechselte ihre Freunde fast so oft wie ihre Höschen, und das hatte Didi bislang davon abgehalten, das Angebot anzunehmen.
Irmy wäre froh gewesen, wenn Didi zu ihr gezogen wäre, denn die Miete für die Wohnung war gesalzen. Sie hätte sie sich gern mit jemandem geteilt.
Didi rannte aus dem Haus. Ein kühler Wind blies ihr ins erhitzte Gesicht. Oben wurde ein Fenster aufgerissen. Ernest Lodge erschien. Mit befehlsgewohnter Stimme schrie er: »Didi, du kommst sofort wieder nach Hause!«
Sie zuckte mit den Schultern und lief weiter. Dieses Kapitel war für sie zu Ende. Es sollte keine Fortsetzung mehr finden. Nicht, wenn sie mit Matt Bendix zusammen war, würde sie vor die Hunde gehen, sondern wenn sie weiter zu Hause blieb, würde das passieren.
Vielleicht geschah alles, was ihre Eltern taten, wirklich nur aus Liebe. Aber man kann auch die Liebe übertreiben!
Regentropfen fielen ihr ins Gesicht. Sie wischte das Wasser nicht ab. Matt wartete in einem Pub auf sie. Didi wollte ihn anrufen und ihm mitteilen, was passiert war, wozu sie sich entschlossen hatte.
Sie wollte es ihm nicht erst im Lokal sagen.
Er sollte darauf vorbereitet sein, ehe sie ihm vor die Augen trat, dann hatte er Zeit, sich mit dem Problem auseinanderzusetzen.
Wie würde er sich entscheiden?
Didi hatte ein bißchen Angst vor den kommenden Minuten.
Sie eilte durch das Streulicht von Straßenlaternen.
Um die nächste Ecke stand eine Telefonbox. Diese war Didi Lodges Ziel. Von da aus wollte sie mit Matt Bendix reden, und es würde sich herausstellen, wie groß seine Liebe zu ihr wirklich war.
Jetzt würde Matt Farbe bekennen müssen.
Didi bog um die Ecke. Ihre Gedanken waren weit weg. Bei ihren Eltern, bei Matt und bei Irmy. Geistesabwesend steuerte sie auf die Telefonzelle zu. Ihr Gehör fing eine Stimme auf, die sagte: »Hallo, Tony Ballard! Hier ist der Sensenmann!«
Didi hob verwundert den Blick. Machte sich da jemand einen makabren Scherz? Im selben Moment prallte das Mädchen entsetzt zurück. Es handelte sich um keinen Scherz. In der Telefonzelle stand tatsächlich… der Sensenmann!
***
Mit schockgeweiteten Augen starrte Didi das Skelett an. Bleich schimmerten die Knochen durch das Glas. Didi Lodge zweifelte an ihrem Verstand. Spielten ihr ihre überreizten Sinne einen Streich?
Das war doch nicht möglich. Wie konnte denn ein Gerippe in der Telefonbox stehen und telefonieren?
Aber es war so.
Der Knochenmann stand in der Zelle, hielt den Hörer in seinen Knochenfingern und redete mit einem Mann namens Ballard!
Didi drehte durch. Dieser Horror war zuviel für sie. Der Sensenmann beobachtete sie nicht. Seine grinsende Knochenfratze war von ihr abgewandt. Didi hetzte in panischer Furcht los. Sie hatte Angst um ihr Leben. Wenn das Skelett nun einhängte und aus der Telefonzelle kam… Was dann? Wohin sollte sie laufen, wenn sich das Gerippe
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