004 - Anruf aus der Hölle
noch diese Bevormundung. Andere Mädchen in ihrem Alter waren schon verheiratet, hatten Familie. Aber für Didi gab es noch Verbote. Sie durfte zu Hause zum Beispiel nicht rauchen.
Okay, das sah sie gerade noch ein. Ernest Lodge, ihr Vater, und Doris, ihre Mutter, rauchten nicht, und sie wollten sich die Luft in ihrer Wohnung nicht verpesten lassen. Sie versagten auch Freunden, die sie besuchten, das Rauchen. Deshalb kam wahrscheinlich auch so selten jemand zu ihnen.
Aber Didi durfte zu Hause auch kein Glas Wein trinken. Von Whisky oder anderen harten Getränken ganz zu schweigen.
Sogar die Zeiten, zu denen sie zu Hause sein mußte, wurden ihr vorgeschrieben.
»Hört mal, ich bin doch kein kleines Kind mehr«, hatte sie einmal gesagt.
Mehr hatte sie nicht gebraucht. Ihre Mutter hatte ihr vorgehalten, sie wäre eine undankbare Tochter, die es nicht schätze, wenn man sie wohl behüte. Ihr Vater schrie sie an, sie sei ihm noch lange nicht über den Kopf gewachsen, und solange sie in seinem Haus wohne, habe sie zu gehorchen.
Vor drei Monaten hatte Didi einen jungen Mann kennengelernt.
Matt Bendix. Sie verliebte sich in ihn, obwohl er schon mal im Gefängnis gesessen hatte. Wegen Einbruchs. Eine Jugendsünde, gestand er ihr.
Mochte der Teufel wissen, wie Ernest Lodge hinter diese Freundschaft kam. Didis Vater holte Erkundigungen über den jungen Mann ein. Matt Bendix stiftete Didi an, sich zu Hause nicht alles gefallen zu lassen. Er riet ihr, auf ihren Rechten zu beharren. Das tat sie, und sie blieb auch einmal über Nacht weg. Bei Matt. In seinen Armen verbrachte sie die ganze Nacht, und sie war so glücklich wie nie zuvor.
Tags darauf setzte es Prügel.
Ihr Vater verbot ihr den Umgang mit »diesem Verbrecher«, der sie aufsässig und renitent mache. Er sperrte sie ein. Ein paar Tage lang. Danach sah Didi ihren Freund wieder. Je mehr ihre Eltern dagegen waren, desto mehr fühlte sie sich zu Matt Bendix hingezogen. Es war nicht nur Liebe. Es war auch eine gehörige Portion Trotz dabei.
Und soeben redeten ihre Eltern wieder auf sie ein. Sie hatte sich angezogen, trug schwarze Stiefel, einen sandfarbenen Rock, eine weiße Bluse und eine rote Lodenjacke. Sie wollte sich mit Matt treffen. Nur für eine Stunde.
»Wohin gehst du?« fragte ihr Vater, als sie sich davonstehlen wollte.
»Nur eine Runde um den Block.«
»Um dich wieder mit diesem Taugenichts, mit diesem Herumtreiber zu treffen? Nichts da, du bleibst zu Hause!«
»Kind«, sagte Doris Lodge sanft. »Bleib hier, es fängt jeden Moment an zu regnen.«
»Das macht mir nichts aus, ich bin nicht aus Zucker.«
Ernest Lodge legte die Zeitung beiseite. »Der geht es doch nicht um die frische Luft. Die will sich doch nur wieder mit diesem Gangster treffen.«
»Matt ist kein Gangster!« verteidigte Didi leidenschaftlich ihren Freund.
»Er wiegelt dich gegen uns auf. Tut das ein anständiger Mensch? Seit du ihn kennst, bist du kaum noch zu bändigen.«
»Daran ist nicht Matt schuld!«
»Er hat keine Stellung, liegt den ganzen Tag auf der faulen Haut!«
»Kann er etwas dafür, wenn die Firma, in der er gearbeitet hat, in Konkurs ging?«
»Ich sage dir, Matt Bendix taugt nichts!«
»Kind«, meldete sich wieder Doris Lodge zu Wort, »warum siehst du denn nicht ein, daß wir nur dein Bestes wollen? Wir sind nicht deine Feinde.«
»Aber ihr behandelt mich so!« platzte es aus Didi heraus.
»Das hast du nun von deiner Güte!« schrie Ernest Lodge zu seiner Frau hinüber. »Ich habe es immer gesagt: Güte ist Schwäche! Mit ein paar Ohrfeigen erreicht man viel mehr. Die haben noch keinem geschadet. Didi hätte viel mehr davon kriegen sollen, aber du hast dich ja immer schützend vor sie gestellt. Das kommt dabei heraus. Sie widersetzt sich meinen Anordnungen. Sie benimmt sich ihren Eltern gegenüber respektlos. Sie trifft sich trotz meines ausdrücklichen Verbots weiter mit diesem verkommenen Subjekt, ohne zu merken, daß der Kerl die Absicht hat, sie in die Gosse zu ziehen. Niemand darf mir vorwerfen, ich hätte bei der Erziehung meiner Tochter versagt. Ich hätte sie viel härter angepackt, wenn du nicht immer dazwischengegangen wärst. Es ist deine Schuld, Doris, ganz allein deine Schuld, daß Didi so geworden ist. Dieser Verbrecher wird unsere Tochter kaputtmachen, und es würde mich nicht wundern, wenn sie eines Tages auf dem Strich landet. Man kennt solche Entwicklungen ja.«
»Woher kennst du sie denn?« begehrte Didi zornig auf. »Vom Fernsehen?
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