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004 - Geister im Moor

004 - Geister im Moor

Titel: 004 - Geister im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B.R. Bruss
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einem vollkommenen Gesicht … Sie war das, was ich als »Nachttyp« bezeichne, mit ihren dunklen Augen, dem vielleicht etwas zu vollen, aber wunderbaren Mund und den langen schwarzen Haaren.
    Sie folgte mir intensiv mit ihrem Blick, als ich an ihr vorbeiging, und dieser Blick beunruhigte mich ganz ungemein. Ich war schon immer recht anfällig für die Schönheit des weiblichen Körpers.
    Die nächste Bucht war leer, und dann konnte ich nicht weitergehen, da die Klippen direkt ins Meer abfielen. Ich kehrte also um. Die Unbekannte war immer noch da. Sie sah mich unaufhörlich an, während ich näher kam, und als ich nur noch einige Schritte von ihr entfernt war, lächelte sie. In diesem Lächeln lag eine derartige Herausforderung und eine derartige Sinnlichkeit, das ich überrascht stehen blieb.
    »Schönes Wetter heute!« bemerkte ich.
    »Setzen Sie sich doch ein bisschen zu mir. Ich bin heute Morgen ganz allein. Meine beiden Schwestern machen in der Stadt Besorgungen.«
    Sie hatte eine sinnliche Stimme, ein wenig rauh, mit einem leichten ausländischen Akzent.
    »Sind Sie Spanierin?« fragte ich und setzte mich neben sie.
    »Aber nein … Ich heiße Mary Ramdul. Meine beiden Schwestern und ich sind in Mexiko aufgewachsen. Dort wohnen wir auch noch, wir verbringen jetzt nur ein paar Monate in der alten Heimat … Der Mai war so schlecht, das ich schon Angst hatte, wir würden die Sonne niemals zu sehen bekommen, aber glücklicherweise habe ich mich geirrt. Zweifellos wird es ein wunderschöner Juni werden. Ich habe eben mein erstes Bad genommen.«
    Wir unterhielten uns eine Weile über den Regen, das schöne Wetter, über Reisen, Mexiko und Großbritannien. Sie machte einen gebildeten Eindruck. Manchmal benutzte sie merkwürdige, sehr phantasievolle Ausdrücke. Sie war ungeheuer verführerisch. Ich konnte nicht umhin, meinen Blick über die Kurven ihres Körpers wandern zu lassen, verstohlen natürlich. Flüchtig dachte ich mit unendlicher Zärtlichkeit an Betty, aber Betty schien sehr, sehr weit fort zu sein.
    »Was machen Sie beruflich?« fragte Mary Ramdul.
    »Ich schreibe Gruselromane.«
    Sie brach in helles Lachen aus. »Wie schrecklich!« rief sie. »Wo das Leben doch so schön ist und die Sonne voller Freude! Was haben Sie denn heute vor?«
    »Nichts Besonderes.«
    »Meine Schwestern kommen zum Mittagessen nicht zurück. Wollen Sie mir beim Essen Gesellschaft leisten? Auf der Terrasse meines kleinen Hotels sitzt man sehr nett, und es sind noch nicht viele Gäste dort.«
    Warum nicht? dachte ich und erklärte mich gern bereit dazu.
    Sie stand auf und nahm ihre Badetasche. »Kommen Sie. Ich werde mich schnell umziehen.«
    Als wir das Hotel erreicht hatten, blieb ich auf der Terrasse stehen. »Ich werde hier auf Sie warten.«
    »Aber nein, kommen Sie. Ich möchte Ihnen gern ein Foto unseres Hauses in Mexiko zeigen.« Sie nahm mich an der Hand und führte mich in ihr Zimmer. Dann musste ich mich auf das Bett setzen, und sie brachte mir das Foto. Eine hübsche weiße Villa unter Palmen. Sie stand vor mir, fast nackt, ich war auf einmal wie hypnotisiert. Ich weiß nicht wie, aber meine Hand berührte zufällig ihre Hüfte – und da war es um mich geschehen. Der Mann ist ein seltsames Geschöpf, aus den widersprüchlichsten Elementen zusammengesetzt. Ich liebte Betty, ich betete sie an. Aber in den folgenden Minuten empfand ich für diese Unbekannte eine geradezu verzehrende Leidenschaft, die sie mit einer wilden Sinnlichkeit und Freude zu befriedigen verstand, wie ich es noch bei keiner anderen Frau erlebt hatte.
    Als wir wenig später auf der Terrasse saßen und uns das Essen serviert wurde, schämte ich mich sehr, und ich sprach kaum ein Wort mit ihr.
    »Traurig?« fragte Mary mit einem merkwürdigen kleinen Lächeln.
    Ich schüttelte den Kopf und zwang mich, ebenfalls zu lächeln. Für sie, so schien es mir, war das nichts als eine flüchtige Laune gewesen. Für mich natürlich auch. Und ich fasste sogleich den Entschluss, sie nicht mehr wieder zu sehen. Und doch, als sie mich eine Stunde später den Strand entlang zurück in den Ort begleitete und mir erklärte, sie sähe ihre Schwestern kommen, fragte ich unvermittelt: »Wann sehe ich dich wieder, Mary?«
    »Oh!« meinte sie nur. »Wir werden uns schon wieder treffen.« Sie stellte mich kurz darauf ihren beiden Schwestern vor, Martha und Marina. Sie sahen ihr sehr ähnlich. Auch sie waren sehr schöne Mädchen – von einer ziemlich fremdartigen Schönheit

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