004 - Geister im Moor
hoffe, dass einige Nächte Arbeit genügen.«
»Na, schön«, meinte ich, »dann wollen wir keine Zeit verlieren!« Und damit griff ich zur Hacke. Ich war bereits sehr beeindruckt von dem, was ich gesehen hatte, und glaubte fest daran, dass wir, wenn vielleicht auch nicht gerade Gold, so doch andere interessante Dinge finden würden. Und ich bewunderte die Ausdauer des Einäugigen, der so viele Jahre hier gearbeitet hatte.
Obgleich ich mein ganzes Leben lang Sport getrieben hatte, geriet ich rasch ins Schwitzen. Ich musste allerdings auch unter ziemlich ungünstigen Bedingungen arbeiten. Die Treppe war sehr schmal, und viele Kubikmeter an Steinen, Erde und Mörtel hatten sich dort angehäuft. Ich hackte und räumte den Schutt mit beiden Händen fort. Gilcross lief hin und her und leerte die von mir gefüllten Eimer im Hintergrund des Saales aus. Wir legten nur kurze Pausen ein und arbeiteten bis halb drei Uhr morgens.
»Das genügt für heute«, sagte Gilcross schließlich. »Ich bin erledigt.«
Wir ruhten uns ein wenig aus, bevor wir die Leiter hinaufstiegen, und Gilcross meinte, wir müssten das nächste Mal einige Stützbalken für den Gang mitbringen.
Plötzlich hob ich warnend die Hand. »Hören Sie!« flüsterte ich. In weiter Ferne hörte ich ein dumpfes, regelmäßiges Geräusch – schwach zwar, aber doch gut hörbar.
»Was ist?« fragte Gilcross.
»Hören Sie nichts?« fragte ich, nachdem ich es ihm erklärt hatte.
»Nein«, antwortete er, »aber ich höre auch nicht besonders gut. Sind Sie sicher, dass Sie nicht ganz einfach das Klopfen Ihres eigenen Herzens hören? Ich habe so etwas Ähnliches am Anfang auch erlebt.«
Ich lauschte sehr aufmerksam. »Nein«, sagte ich nach einer Weile. »Es hat etwa acht bis zehn Sekunden aufgehört, und dann kam es wieder. Mein Herz macht nicht so lange Pausen.«
»Vielleicht sind es die Ludmar, die auf der anderen Seite arbeiten«, meinte Gilcross nachdenklich. »Es ist besser, wir gehen jetzt. Und wir wollen ganz besonders vorsichtig sein, wenn wir ins Freie kommen.«
Eine halbe Stunde später lag ich in meinem Bett, aber es dauerte lange, bis ich einschlief. Ich hatte das Gefühl, das ich nun in die finsteren, rätselhaften Dramen von Guilclan hineingezogen wurde. Ich behielt den Talisman um den Hals. Für alle Fälle. Man konnte nie wissen …
Am nächsten Morgen schien strahlend die Sonne, und ich war bester Laune und wie losgelöst von allem, was mich beschäftigt und beunruhigt hatte.
In aller Eile nahm ich mein Frühstück ein und verließ das Hotel. Trotz des herrlichen Wetters gelangte kein Lichtstrahl bis auf den Grund der engen Strassen, die dadurch umso düsterer wirkten.
Ich hatte das Bedürfnis nach Luft und Weite, und unwillkürlich ging ich zu dem Tor, das auf die Strasse nach New Guilclan hinausführte. Nach New Guilclan, wo ich nie mehr hingekommen war. Es war ein herrlicher Junitag, und ich hatte plötzlich Lust, dem Badeort einen Besuch abzustatten. Ich nahm ein paar Abkürzungen, und da ich ziemlich rasch ging, war es eben zehn Uhr, als ich New Guilclan erreichte. Der Ort sah jetzt ganz anders aus als damals bei meiner Ankunft. Die Boutiquen, damals geschlossen, waren jetzt alle geöffnet. Vor den Hotels standen große Blumenkörbe. Ich sah den neuen Autobus, der im Sommer zweimal täglich den Dienst zwischen dem Seebad und dem Bahnhof der nächsten Stadt versah. Einige Touristen stiegen aus. Ich erkannte den Chauffeur wieder. Er trug jetzt eine hübsche Uniform. Die Strassen waren belebt, und am Strand zeigten sich die ersten Badegäste. Die Saison begann.
Ich beschloss, am Strand spazieren zu gehen. Einige andere Spaziergänger begegneten mir, Kinder spielten, von ihren Müttern bewacht, im Sand, und einige wenige Mutige zeigten sich bereits im Badeanzug und vergnügten sich in den Wellen. Ich bedauerte sehr, meine Badehose nicht mitgebracht zu haben.
Der Strand war länger, als ich gedacht hatte, und setzte sich aus mehreren kleinen Buchten zusammen. In einer dieser kleinen Buchten sah ich eine Badenixe aus dem Wasser steigen und sich im Sand ausstrecken, um sich von der Sonne wärmen zu lassen. Als ich näher kam, stellte ich fest, das sie einen dieser modischen Badeanzüge trug, die nicht nur die Formen des Körpers aufzeigen, sondern ihn geradezu nackt erscheinen lassen. Es war ein feuerroter Badeanzug und die Trägerin eine bildschöne Frau mit goldbrauner Haut, herrlichen langen Beinen, der Brust einer Göttin und
Weitere Kostenlose Bücher