004 - Geister im Moor
allerdings.
Hier verabschiedete sich Mary von mir, und ich ging allein weiter. Ich hatte Durst und betrat das Café, in dem ich Betty begegnet war. Betty. Eine Welle von Zärtlichkeit überflutete mich. Ich fühlte mich schuldig, und ich schwor mir, diese verführerische Unbekannte nie wieder zu sehen.
Ich trank ein Bier und war etwa zwanzig Minuten dort, als der Kellner zu mir kam und mich ans Telefon bat.
Verblüfft stand ich auf. Wer konnte mich hier anrufen? Und wer wusste überhaupt, dass ich in diesem Café war?
»Hallo?« Es war Betty, und ich spürte, dass ich vor dem Apparat rot wurde. »Das ist aber eine freudige Überraschung«, stammelte ich. »Was gibt es denn?«
Sie fragte, ob ich sofort kommen könnte, und ich sagte zu. Dann legte sie einfach auf.
Ich machte mich sofort auf den Weg zu ihr – mit sehr schlechtem Gewissen. Es war vier Uhr nachmittags. An der Promenade entdeckte ich sogar ein Taxi – im Sommer gab es so etwas ja in New Guilclan – das mich nach Roaldmor brachte. Das Tor stand offen, aber ich hatte noch keine dreißig Schritte in den Park hinein getan, als ich ein Geräusch hinter mir hörte und mich umdrehte. Ein Mann war aus den Büschen herausgetreten und schloss das Tor. Ein Gärtner vermutlich – aus der Nähe gesehen wirkte das alte Schloss recht imposant. Es war aus dem gleichen dunklen, braunen Stein erbaut wie die Ruinen von Ludmar und die meisten Häuser von Guilclan. Ich wurde bereits erwartet, denn Betty öffnete selbst die Tür, als ich die Freitreppe hinaufstieg. Sie führte mich in einen kleinen Salon, legte beide Hände auf meine Schultern und sah mir tief in die Augen.
»Jack, ich liebe dich. Und ich darf dich lieben, das weiß ich jetzt.«
Ich bemühte mich, mein schlechtes Gewissen zu verbergen. Sie sah hinreißend aus in ihrem schwarzen Kleid. Wie hatte ich es nur fertig bringen können? Ich nahm ihre Hand und presste sie an meine Lippen.
»Jack«, fuhr sie fort, »ich habe nicht gelogen, als ich dir sagte, das ich dich nicht nur vom ersten Augenblick an liebte, als ich dich sah, sondern schon lange vorher. Ich glaube, ich habe mich beim Lesen deiner Bücher in dich verliebt. Und dann kannte ich natürlich dein Gesicht von Fotos her. Ich fühlte mich so allein hier, und ich wollte dich unbedingt kennen lernen … Jack, ich muss dir etwas gestehen. Ich habe dich veranlasst, aus London hierher zu kommen.«
Sie hatte schnell gesprochen, und ich muss gestehen, ich war etwas verwirrt. »Du hast was?«
»Jetzt hältst du mich wohl für verrückt«, sagte sie. »Aber es ist die Wahrheit. Ich habe dich aus London hierher kommen lassen.«
»Nun hör mal, Betty, ein Freund, den ich im Hyde Park traf, hat mir von Guilclan erzählt, und das hat mich gleich gereizt. Vorher hatte ich noch nie von diesem Ort gehört.«
»Ich weiß«, lächelte sie. »Dein Freund Anthony Burr.«
»Woher weißt du das?«
»Ich weiß es. Ich weiß es umso besser, weil du an jenem Tag gar nicht deinen Freund getroffen hast, und zwar aus dem einfachen Grund, weil er zu diesem Zeitpunkt in Indien war. Das kannst du leicht feststellen.«
Ein Schauer überlief mich. »Was soll das heißen, Betty?«
»In deinen Romanen sprichst du oft von magischen Kräften, Jack. Aber im Grunde glaubst du nicht daran. Wirst du jetzt daran glauben?«
»Aber ich … du …«
»Beruhige dich, Jack. Ich weiß sehr viele Dinge, und ich verfüge über gewisse Kräfte. Aber ich befasse mich nicht mit schwarzer Magie. Ich schwöre dir, es wäre mir lieber, ich wäre genau wie alle anderen. Oh, wie ich dich hergeholt habe? Das war ganz einfach: Durch Fernhypnose, die eine der Unsrigen durchführte. Ich wollte jemanden bei mir haben, der mich verstehen kann, einen Freund. Jemanden, den ich lieben könnte, und der auch mich lieben könnte, vielleicht …«
Ich war sehr bewegt, beunruhigt Und auch irgendwie entsetzt. Ich zog sie in meine Arme. »Betty, ich liebe dich«, flüsterte ich zärtlich. »Ich bin bereit, alles für dich zu tun, was in meinen Kräften steht, das habe ich dir schon einmal gesagt. Aber wenn du mich liebst, warum hast du mich dann all diese Wochen nicht sehen wollen? Und warum sagtest du das letzte Mal, du wüsstest nicht, ob du mich lieben dürftest? Zweifelst du an mir?«
Betty lächelte traurig. »Ich nicht. Aber die anderen, die mir zur Seite stehen. Sie sind sehr misstrauisch, das hast du sicher gemerkt. Sie wussten, auf welche Weise du her gekommen bist, aber dann waren sie sich doch
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