004 - Geister im Moor
folgendermaßen:
Die Ereignisse, die hier niedergeschrieben werden sollen, wurden keineswegs durch allgemeine Unzufriedenheit und alten Aberglauben herbeigeführt, wie gewisse Geschichtsschreiber behaupten, die nichts wissen. Ich, für meinen Teil, habe alles selbst miterlebt, und wenn ich auch die Umstände segne, die einen Schleier des Schweigens über diese schmerzliche Zeit zu legen gestatten, so kann ich doch auch heute nicht ohne Zittern und Schaudern über jene sieben Wochen berichten, die dem hoch verehrten Sir Romuald Eric Salforth das Leben kosteten und so viele andere Bürger von Guilclan umkommen sahen in diesem verfluchten Jahr 1720 …
Ich blickte von dem Manuskript auf. »1720?« rief ich. »Wieder genau zweihundert Jahre nach den vorher beschriebenen Vorfällen?«
»So ist es«, erwiderte Betty. »Für den Augenblick genügt das, du brauchst nicht weiterzulesen. Die gleichen Schrecknisse, wie du dir denken kannst. Es gab dreißig Tote. Außer meinem Vorfahren Romuald sind noch fünf weitere Familienmitglieder umgekommen. Von seinen drei Söhnen blieb nur einer am Leben, weil er zu der Zeit in Amerika war.1320 – 1520 – 1720 … Drei Unglücksdaten. Und jetzt haben wir 1920. Begreifst du nun, warum ich Angst habe?«
Ich begriff. Ich war sogar auf das äußerste beunruhigt. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte.
»All das entspricht genau der furchtbaren Prophezeiung von Moro Ludmar, das in gewissen Zeitabständen Boten der Rache erscheinen würden. Jetzt kennen wir den Rhythmus dieser Erscheinungen: alle zweihundert Jahre. Seit 1520 hat hier niemand mehr diese Drohung vergessen. Und jetzt fängt es wieder an. Es hat am 30. Mai mit dem Tod von Adam Small und seiner Haushälterin begonnen. Die kritische Phase dauert genau sieben Wochen. Dann ist alles wieder ruhig, und niemand hat mehr etwas zu befürchten. Die okkulten Kräfte gleichen sich wieder aus. Die Schutzmittel, die uns zur Verfügung stehen, werden wieder wirksam. Aber während dieser sieben Wochen besitzen die Ludmar unbestreitbar weitaus stärkere Kräfte, gegen die wir so gut wie wehrlos sind. Es scheint, dass die hiesigen Ludmar alle zweihundert Jahre den Besuch eines oder mehrerer geheimnisvoller Boten erhalten, von denen niemand weiß, woher sie kommen und die sie selbst nicht kennen. Es heißt, das das Geheimnis all dieser schrecklichen Mächte und Vorkommnisse in den unterirdischen Sälen unter den Ruinen von Ludmar verborgen ist, und das die Ludmar selbst es nicht finden können, sonst existierten wir längst nicht mehr. Einige der Unsrigen haben auch nach diesen Geheimnissen gesucht, aber vergeblich. Es waren auch nur wenige, die es im Laufe der Zeiten gewagt haben.«
»Peter Gilcross«, fragte ich unvermittelt, »kann man sich auf ihn verlassen?« Betty lächelte. »Hundertprozentig, Jack. Und ich weiß, dass du ihm heute Nacht geholfen hast. Ich weiß alles, was bei den Unsrigen vorgeht. Die Texte, die du gelesen hast, verdanken wir den Gilcross. Peter ist in unserer Epoche der einzige, der den Mut hat, die Nachforschungen weiterzuführen. Er ist der Bruder unseres Verwalters und Freundes Loys Gilcross. Vor zwanzig Jahren hatte Sally übrigens die Kühnheit, selbst zu suchen, und sie war sogar dabei, etwas zu entdecken. Du weißt, was ihr passiert ist. Ich möchte lieber nicht darüber sprechen.«
Wir schwiegen einen Augenblick, dann fragte ich: »Wer ist Guatl?«
»Er ist der direkteste Nachkomme der damaligen Ludmar – einer jüngeren Linie, da Moro selbst keine Kinder hatte. Wenn das Schloss oben auf dem Plateau noch stünde, würde er heute darin leben.«
Ich nahm Bettys Hand in die meine und fühlte wieder, wie sie zitterte. »Warum bleibst du hier? Warum fährst du nicht während dieser verfluchten sieben Wochen mit deinem Vater weg, um dich in Sicherheit zu bringen?«
Sie machte eine resignierte Handbewegung.
»Mein Vater will nichts davon hören. Er glaubt nicht an diese alten Geschichten. Um ihn habe ich Angst, um mich selbst weniger. Unser Vorfahr Romuald war genauso, im Jahre 1720. Ein aufgeschlossener, skeptischer Mann. Er ist daran gestorben. Mein Vater ist Geschäftsmann und reist von einer Vorstandssitzung zur anderen. Er weigert sich, im Zeitalter der Elektrizität und Automobile an okkulte Kräfte zu glauben. Er sieht es gar nicht gern, dass ich mich damit befasse. Er argumentiert genau wie der gute Dr. Arnold. Der Tod von Adam Small hat ihn tief erschüttert, aber einzig und allein,
Weitere Kostenlose Bücher