004 - Kerry kauft London
sanft, »und ich liebte es, wie ein Mann ein Kind lieben kann - das zu jung ist, um das kennenzulernen, was wir Menschen Liebe nennen. Und hier steht Else Marion mit demselben Gesicht und…«
Er ließ seine Hände plötzlich heruntergleiten und seinen Kopf nach vorn, als ob ihn unüberwindliche Müdigkeit niederdrückte.
»Was fehlt Ihnen?« fragte Else erschrocken.
»Nichts!« Seine Stimme war hart. »Ich wünschte nur, ich … wäre … damals … kein Narr gewesen.«
Sie wartete mit klopfendem Herzen; sie wußte, daß etwas Furchtbares kommen würde.
»Ich bin mit der schlechtesten Frau in der Welt verheiratet. Gott steh mir bei!« sagte er gebrochen.
»Was, zum Kuckuck, wollen Sie denn jetzt in der City?« knurrte Leete. »Zu dieser Stunde?«
Er sah auf die Uhr. Es war dreiviertel zwei, und im Klub war es sehr gemütlich.
»Ich liebe die City um diese Stunde«, sagte Hermann ruhig. »Wir wollen einmal die Feste unseres Feindes ansehen.«
»Es wird ein Haufen Gutes dabei herauskommen«, brummte Leete.
»Wissen Sie, Leete, manchmal erschreckt mich Ihre gewöhnliche Ausdrucksweise«, sagte Hermann mit einem Anflug von Lächeln.
Sein Wagen wartete draußen, und der immer noch brummende Leere ließ sich hereinlotsen.
»Es ist besser, die schöne frische Luft einzuatmen, als das Gift eines ekelhaften Rauchzimmers«, sagte Hermann, als der Wagen geräuschlos nach dem Osten rollte.
»Ich tue nie etwas Unnötiges«, bemerkte Leete.
»Es ist nötig, den neuen Besitzer von Goulding zu versöhnen«, entgegnete Hermann sanft. Leete grinste in der Dunkelheit. Er betrachtete sich als »gut heraus« aus dem Konzern. Sollte doch Zeberlieff ruhig seine Million machen! Um so besser, wenn er es konnte.
»Ich werde Ihnen die Papiere morgen schicken«, sagte er, als ihm ein Gedanke durch den Kopf ging. »Übrigens, könnten Sie mir heute nacht ein paar Zeilen des Inhalts geben, daß Sie bereit sind …?«
»Gewiß!« erwiderte Zeberlieff leichthin.
Er ließ in der King William Street halten.
»Lassen Sie uns über die London-Brücke gehen und dem Genius King Kerry unsere Huldigung darbringen!«
Leete grunzte unhöflich, während er sich aus dem Wagen schob.
»Nun?«
Sie waren in einer der steinernen Nischen stehengeblieben und blickten angestrengt über den Fluß. Ein vorübergehender Schutzmann, der auf seinen Gummisohlen geräuschlos vorbeischritt, musterte sie und blieb auf Hermanns freundliches Nicken hin stehen.
»Ich vermute, Herr Wachtmeister, das große, hellerleuchtete Gebäude ist Kerrys berühmtes Warenhaus?«
»Jawohl«, erwiderte der Beamte, indem er eine stramme, dienstliche Haltung einnahm. »Das ist das Warenhaus des ›Königs von London‹ - sozusagen.«
Ein Lächeln geisterte über Zeberlieffs Züge.
»Er hat meinem Kameraden heute nacht keinen schlechten Schrecken eingejagt«, fuhr der Schutzmann fort. »Er war zwischen zehn und elf Uhr an der Brücke, und plötzlich schien der ganze Kai in Flammen zu stehen.«
»In Flammen?« fragte Zeberlieff interessiert.
»Es war nur eine Kiste - irgend etwas war da nicht in Ordnung, und Herr Kerry hat sie selbst angezündet. Mein Kamerad wird ihm morgen eine Vorladung überbringen; es verstößt gegen das Gesetz, auf dem Kai Feuer anzuzünden.«
»Er hat also entdeckt, daß irgend etwas nicht in Ordnung war?« wiederholte Hermann, ohne daß seine Stimme zitterte. »Wie sieht Kerry das ähnlich!«
Er wollte dem Schutzmann ein Trinkgeld geben und war ein wenig überrascht, als dieser höflich ablehnte.
»Merkwürdige Leute, diese Citypolizisten«, bemerkte Leete.
»Nicht so merkwürdig wie Kerry«, entgegnete der andere dunkel.
Nicht ein Wort wurde während der Fahrt nach dem Westen gesprochen. In der Gegend von Piccadilly ergriff Leete die Gelegenheit, um den Kauf perfekt zu machen.
»Kommen Sie mit hinein, damit wir das Abkommen schriftlich fixieren«, sagte er, als der Wagen hielt und er schwerfällig auf den Bürgersteig trat.
»Welche Abmachung?« fragte Zeberlieff kühl.
»Den Verkauf von Goulding.«
Er sah das Schimmern der weißen Zähne, als Zeberlieff lachte.
»Seien Sie doch nicht so albern«, erwiderte er gemütlich. »Ich habe doch nur Spaß gemacht.«
Wollte man sagen, daß Leete taumelte, so hieße das, ei ne ganz furchtbare Erregung mit eine m ziemlich milden Ausdruck abzutun. »Aber - aber …«, brachte er mühsam hervor. »Gute Nacht!« rief Hermann, indem er die Wagentür zuschlug.
Kapitel 25
Das Geheimnis war nun
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