0041 - Das Amulett des Sonnengottes
fiel mir schon auf, als ich über den Korridor ging.
Sämtliche Telefone klingelten. Meine Kollegen schlichen mit Leichenmienen herum. Die Nervosität war mit Händen greifbar.
»Sie sollen sofort zum Chef kommen!« rief Glenda Perkins, als ich mein Vorzimmer betrat. Sie hielt sich nicht einmal mit einem kurzen Flirt auf. »Es ist sehr dringend!«
Wortlos verschwand ich wieder und platzte in Superintendent Powells Büro.
»Na endlich!« Er schoß hinter seinem Schreibtisch hoch und stürzte auf mich zu. »Ich muß sofort in die Krisensitzung. Ich habe nurmehr auf Sie gewartet. Hören Sie, es geht drunter und drüber. Auf meinem Schreibtisch liegt eine Liste mit Leuten, die sich mehr als merkwürdig benommen haben. Diese Liste ist streng geheim. Lesen Sie, dann wissen Sie Bescheid! Und bringen Sie mir bald eine Erfolgsmeldung.«
Ich blickte verblüfft hinter ihm her, als er überhastet sein Büro verließ. So hatte ich den Superintendent noch nicht erlebt. Ich nahm die Liste an mich und begann zu lesen.
Es war mehr ein Kurzprotokoll als eine gewöhnliche Liste. Zehn Namen waren aufgeführt, und die meisten kannte ich aus Zeitungs- und Rundfunkmeldungen. Es drehte sich um einflußreiche Leute aus Wirtschaft und Wissenschaft, Leute in Schlüsselpositionen. Und sie alle hatten sich sehr sonderbar benommen.
Am wichtigsten war für mich der Hinweis am Ende des Protokolls, daß niemand verhaftet worden war, sondern daß alle nur unter Aufsicht standen.
Da war zum Beispiel ein Geheimnisträger der Luftwaffe, der Top-Secret-Akten unter den Arm geklemmt und damit das Ministerium verlassen hatte. Erst nach zehn Schritten hatten die Sicherheitsbeamten geschaltet und den Mann auf Eis gelegt.
Da war zum Beispiel der seit Jahren zuverlässige Geldbote einer großen Firma, der ohne Geld von der Bank zurückgekommen war und erklärt hatte, er hätte das Geld an einen Fremden übergeben. Einfach so. Und er wußte nicht, wieso.
Da war zum Beispiel der Generalmanager einer Raffinerie, der angeordnet hatte, daß der Ölhahn zugedreht wird. Seine Mitarbeiter setzten ihn in seinem Büro fest, ehe sein Befehl ausgeführt wurde.
Unterschlagung, Erpressung, Sabotage – was war plötzlich in dieser Stadt los? Und warum stellten sich diese Leute so ungeschickt an, daß sie sofort geschnappt wurden?
Jetzt konnte ich mir auch gut erklären, wieso Superintendent Powell an einer Krisensitzung teilnehmen mußte. Bei solchen Vorfällen war unsere Sicherheit bedroht. Noch waren es nicht die Spitzenkräfte an den Schaltstellen des Landes, aber es handelte sich bereits um Personen in wichtigen Positionen. Im Hintergrund drohte die große Katastrophe.
Es war noch zu früh, um eine Verbindung zwischen den zehn Personen auf meiner Liste und Ernest Hemming herzustellen, aber Hemmings Verhalten paßte genau in dieses Schema. Er hatte einem Unbekannten Geld verschafft und sich dabei bloßgestellt, keine Rücksicht auf sich selbst genommen.
Ich wollte sofort mit den Verdächtigen sprechen. Ich mußte klären, ob auch sie unter Zwang gehandelt hatten und sich an nichts mehr erinnerten.
Ich wollte mich auf den Weg machen, doch dann fiel mir etwas ein.
Als ich Hemming gegenüber die Ermordung Callanians erwähnt hatte, war er von dem magischen Lichtblitz getötet worden. Vermutlich hatte mich der Unheimliche im Hintergrund beobachtet und rechtzeitig einen gefährlichen Zeugen aus dem Weg geräumt.
Ich wollte kein Risiko eingehen. Es sollte nicht noch mehr Todesopfer geben. Wenn diese Aktionen von einem Unbekannten gesteuert wurden, beobachtete er mich unter Garantie. Dann verfolgte er mich auch, wenn ich die Verdächtigen besuchte.
Wenn ich sie zu scharf verhörte, tötete er wahrscheinlich auch sie.
Ich ließ mir etwas einfallen. Ich wollte den Unbekannten ablenken, während die richtigen Befragungen von Helfern durchgeführt wurden. Das durfte allerdings niemand von Scotland Yard sein. Meine Kollegen kannte der Mann im Hintergrund wahrscheinlich sehr gut.
Deshalb kehrte ich in mein Büro zurück und rief Jane Collins an. Als ich ihr erklärte, worum es ging, war sie sofort einverstanden.
»Natürlich mache ich das für dich, John«, versprach sie. »Ich werde die Leute so vorsichtig ausquetschen, daß sie es nicht einmal merken.«
Ich gab ihr drei Namen von meiner Liste und die Adressen, an denen die Verdächtigen festgehalten wurden.
Das Gleiche machte ich mit Suko. Ich hatte Glück, daß er zu Hause war. Auch er wollte helfen und bekam
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