0043 - Der Vampir von Manhattan
zuckte zur Beretta, ich zog, spannte und entsicherte die Pistole.
»Öffne das Fenster, Suko«, ordnete ich an. »Wir sind anscheinend doch nicht umsonst nach New York gekommen.«
»Klar, Meister John«, antwortete Suko und bewegte sich trotz seiner bulligen Figur leichtfüßig zu mir her. »Dem Blutsauger wollen wir eins verplätten, daß er im Sturzflug abschmiert und den Vampirjob fristlos kündigt.«
Das waren so Sukos Redensarten. Das Fenster war nach oben zu verschieben, er öffnete es. Kalte Luft wehte ins Zimmer. Ich zielte auf die Riesenfledermaus. Da zuckte es wie zwei Blitze aus ihren Augen. Geblendet verriß ich den Schuß, und das silberne Projektil verfehlte das Horrorwesen.
Im nächsten Augenblick schoß es pfeilschnell ins Zimmer. Nadelspitze Krallen bohrten sich in meine Hand, zum nächsten Schuß kam ich nicht mehr. Der Schmerz war so schlimm, daß ich die Pistole loslassen mußte. Mit der Linken packte ich den Hals der riesigen Fledermaus, deren eine Schwinge mir ins Gesicht schlug.
Da drehte und wand sich etwas mit unwiderstehlicher Gewalt, die Krallen ließen meine Hand los, und ich wich zwei Schritte zurück. Ein schriller Schrei ertönte, und als ich wieder klar sehen konnte, stand eine bleiche, dämonisch aussehende Frau vor mir.
Die beiden Mädchen schrien auf. Suko stand in Karatekampfstellung da, zögerte aber, denn der weibliche Vampir machte im Moment keine Anstalten zu einem Angriff.
Die Frau hatte schulterlanges schwarzes Haar, das sie in einer altertümlichen Innenrolle trug. Ihr Gesicht war auf eine dämonische Weise schön und sehr bleich. In ihren Augen tanzten glimmende Punkte.
Sie war groß und – soweit man diesen Begriff bei einem Vampir gebrauchen konnte – jung. Ein tief ausgeschnittenes Kleid zeigte eine Menge von ihren festen Brüsten. Dieses Kleid war rot und fast bodenlang, die Füße steckten in schwarzen Schnürstiefeletten.
Vampirzähne bleckten über roten Lippen. Ein Modergeruch strömte von der Vampirin aus.
Ihr teuflisches Gelächter gellte schrill und höhnisch. Meine Beretta lag unter ihrer rechten Stiefelette.
»Asenath bin ich!« rief die Vampirin. »Ich habe alles mit angehört. Du und dieses gelbe Pfannkuchengesicht da, ihr seid es also, die den Mächten der Finsternis schon soviel Schaden zugefügt haben. John Sinclair, ich lache über euch, ihr Würmer!«
»Sprechen Sie sich nur aus, Madame«, sagte Suko, ohne seine Haltung zu verändern. »Bevor ich beginne, Sie auf eine sehr unhöfliche Art und Weise zu behandeln.«
»Tu dir nur keinen Zwang an, Suko«, sagte ich leichthin. »Das ist keine Dame, sondern ein häßliches, stinkendes Monstrum aus einer üblen Gruft. Ein vampirisches Scheusal!«
»Du wagst es, mich zu beleidigen?« kreischte Asenath und streckte den rechten Arm gegen mich aus. »Das sollst du unter Höllenqualen bereuen. Sieh nur, was ich mit deiner Waffe mache!«
Asenath bückte sich blitzschnell. Bevor wir sie hindern konnten, hatte sie die Beretta aus dem Fenster geworfen. Suko wollte sie packen, doch die Vampirin fuhr ihm mit ihren spitzen Fingernägeln wie mit Krallen durchs Gesicht. Nur durch eine rasche Kopfbewegung konnte Suko es verhindern, geblendet zu werden.
Er wich ein paar Schritte zurück. Linda Maitland und Laurie Ball saßen da und hielten einander umklammert, starr vor Schrecken. Ich aber knöpfte mein Hemd auf, unter dem ich das geweihte und mit geheimnisvollen Zeichen versehene Kreuz auf der Brust trug.
»Ihr werdet Vampyrodam nicht verhindern können!« rief Asenath gellend. »Das Reich der Vampire! Mein Gemahl Montague und ich erklären euch den Kampf!«
»Das muß aber eine sehr glückliche Ehe sein, wenn sie schon über zweihundert Jahre hält«, sagte ich trocken.
Jetzt zog ich das Kreuz unterm Hemd hervor. Asenath zuckte zusammen, als das silberne Kruzifix ihr in die Augen stach. Doch sie hatte bereits begonnen, sich zu verwandeln. Aus der schwarzhaarigen Frau mit den Vampirzähnen wurde eine Riesenfledermaus, die aus dem Fenster entwich.
Suko sprang vor, doch sein Fußtritt streifte die abfliegende Fledermaus nur. Sie kreischte höhnisch.
»Vampyrodam!« schallte es von draußen herein. »Ihr sollt jämmerlich krepieren.«
Bis ich meinen Einsatzkoffer geöffnet und die Holzbolzenpistole herausgenommen hatte, war die Vampir-Fledermaus längst in der Nacht verschwunden. Von draußen wurde an die Tür geklopft, denn der Schuß war nicht ungehört geblieben.
Meine rechte Hand schmerzte und
Weitere Kostenlose Bücher