0044 - Das Trio des Teufels
beobachtet. Es war immer das gleiche Spiel.
»Komm ruhig rein, Söhnchen«, ertönte eine krächzende Stimme, »die Tür ist offen.«
Karl öffnete die Heckklappe des Kombis und packte den ersten Karton. Er trug ihn auf beiden Armen und stieß die Tür mit der rechten Fußspitze auf.
Zwei Schritte hinter der Schwelle blieb er stehen.
Es dauerte etwas, bis sich seine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten.
Die drei Frauen saßen in ihren Rollstühlen genau vor ihm. Er wußte nicht, wer Elisa, Stina oder Martha war. Sie sahen alle gleich aus. Sie trugen dieselben langen, dunklen Kleider, hatten faltige Gesichter und gichtkrumme Hände, deren Finger um die Seitenlehnen der Stühle geklammert waren. Die Diele war leer. Auf den Holzdielen schimmerte grünlicher Schimmel. Links führte eine wurmstichige gewundene Treppe bis unter das Dach.
»Bring es in die Küche, Söhnchen«, sagte die Frau in der Mitte.
»Ja, natürlich.« Karl schritt vor. Er mußte rechts an den Frauen vorbei, passierte eine windschiefe Holztür und betrat einen Raum, dessen Einrichtung noch aus dem vorigen Jahrhundert zu stammen schien. Die Möbel waren uralt. Überall knackte und knarrte es. In den Schränken nistete der Holzwurm.
Hinter sich hörte Karl ein rollendes Geräusch. Eine Frau war ihm gefolgt.
»Stell die Sachen auf dem Unterteil ab, Söhnchen.« Karl tat, wie ihm geheißen.
Dann drehte er sich um.
Die Frau grinste ihn an. Er sah einen zahnlosen Mund, die zahlreichen Falten im Gesicht, und durch das mit Spinnweben verklebte Fenster fiel noch genügend Licht, um die gelblichen Augen der Alten sehen zu können.
Wie bei einem Raubtier, dachte Karl und schüttelte sich. »Darf ich vorbei?« fragte er und quälte sich ein Lächeln ab. »Im Wagen draußen stehen noch zwei Kartons.«
»Aber natürlich, Söhnchen. Warte, ich mache dir Platz.« Die Alte rollte zurück zu ihren beiden Schwestern, die ebenfalls keinen Blick von Karl ließen, als er das Haus verließ.
»Er ist ein schöner junger Mann«, flüsterte Martha.
»Ja, wirklich«, bestätigte Stina. »Sollten wir ihn nicht…«
»Sei ruhig!« zischte Elisa. »Wer bringt uns sonst die Waren?«
»Aber er ist doch so kräftig!«
Karl kam zurück, und Martha verstummte. Sie folgte nur mit hungrigen Blicken dem Mann, wie er die Küche betrat und dort den zweiten Karton absetzte.
Dann holte er den dritten.
Als Karl das Haus betrat, lächelte er den alten Frauen zu, obwohl er am liebsten davongelaufen wäre.
Karl stellte den dritten Karton auf einen Stuhl. Er bemerkte, daß eine der Schubladen im Küchenschrank offenstand. Karl schaute hinein, zog sie noch weiter auf und sah plötzlich das Messer.
Die Klinge war blutig!
Karl sprang zurück. Plötzlich schwitzte er und begann zu zittern.
Von wem stammte das Blut?
Von einem Menschen – oder einem Tier?
Karl atmete scharf aus. Er wischte sich über die Stirn, und als er auf seine Finger schaute, waren sie naß. Karl dachte an die Morde, die in der letzten Zeit passiert waren und die Bevölkerung der näheren Umgebung in Angst und Panik versetzt hatten.
Hatten die drei Frauen etwas damit zu tun?
»O Gott«, stöhnte Karl und schüttelte sich.
»Söhnchen?« Die krächzende Stimme riß ihn aus seinen Überlegungen in die Wirklichkeit zurück. Er schob die Schublade wieder halb zu und verließ die Küche.
Das Messer mit der blutigen Klinge ging ihm nicht aus dem Kopf. Karl war ein einfacher Mensch. Er arbeitete, trank sein Bier und ließ sonst den lieben Gott einen guten Mann sein. Aber er verstand es doch, eins und eins zusammenzuzählen.
Hier stimmte etwas nicht.
Als er die Küche verließ, war er blaß. Die drei Frauen hatten ihre Stellungen verändert. Eine wartete dicht vor der Treppe, die beiden anderen hielten sich in der Nähe der Tür auf. Martha winkte mit dem gichtkrummen Finger. Sie sah dabei wirklich aus wie eine Hexe.
»Komm zu mir, Söhnchen.«
Karl zögerte noch.
Die Alte kicherte häßlich. »Hast du Angst, Söhnchen?«
Karl schüttelte den Kopf und trat langsam auf sie zu. Die Alte griff unter ihr Kleid, und als die Hand wieder zum Vorschein kam, lag ein Fünfmarkstück auf dem Handteller. »Hier, das ist für dich.«
Karl nahm das Geld. Seine Fingerspitzen berührten dabei die Haut der Frau. Hastig steckte er die Münze weg. »Danke. Danke sehr.«
»Dann bis zum nächstenmal«, flüsterten die drei Frauen fast synchron.
Karl wandte sich um und vollführte eine etwas linkische Verbeugung.
Weitere Kostenlose Bücher