0044 - Das Trio des Teufels
Ort. Karl gehörte fast zur Familie.
Auch an jenem bewußten Morgen mußte er wieder eine Fahrt antreten. Sein Opel Caravan war mit Lebensmitteln vollgestopft. Die Kunden hatten telefonisch bestellt.
Karl hakte noch einmal die einzelnen Posten auf seiner Liste ab, nickte zufrieden und schlug die Wagentür zu. Dann ging er wieder ins Haus, betrat über die steile Treppe sein Zimmer und nahm eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank.
Das zweite Frühstück.
Karl lächelte, als er die Flasche ansetzte. Für ihn war das Biertrinken eine Zeremonie. Daß er dabei bis zu dreimal in der Woche betrunken war, störte ihn nicht.
Karl nuckelte an der Flasche und setzte sie erst ab, als sie zur Hälfte leer war. Ein paar Schaumflocken hingen noch an seinem Oberlippenbart. Mit dem Handrücken wischte Karl sie weg.
Dann pellte er sich ein hartes Ei und aß es langsam und genußvoll, wobei er die zweite Hälfte der Flasche leerte. Anschließend zündete er sich eine filterlose Zigarette an, trat ans Fenster und blies den Rauch gegen die Scheibe. Die letzten Schatten der Nacht verschwanden. Im Osten stieg die rote Februarsonne über den Horizont und verdrängte die letzten Morgennebel. Karl rauchte zu Ende und verließ sein Zimmer.
Er trug bereits den grauen Arbeitskittel mit der Aufschrift des Lebensmittelladens.
Auf dem Hof begegnete ihm sein Chef.
»Wann bist du zurück, Karl?«
Karl strich sich über sein schon leicht angegrautes Haar und fuhr mit dem Daumen im Nacken auf und nieder. »Tja, wenn ich zu den Tanten soll, dann dauert es bis gegen zehn.«
»Gut. Bis dahin sind auch die neuen Waren eingetroffen. Du kannst sie dann auszeichnen und sortieren. Ich lege dir die Preisliste dazu.«
»Wird gemacht, Chef.« Karl stieg in den Wagen.
Der Lebensmittelhändler winkte und gab Karl noch den Rat, auf diesen schneeglatten Wegen vorsichtig zu fahren. Karl begann mit seiner Tour. Er fuhr erst zu zwei Familien im Dorf, bekam bei der letzten einen Korn und kippte ihn in die Kehle. Er fuhr auch, wenn er leicht einen sitzen hatte. Er nahm das nicht so genau.
Als er dann wieder in seinen Wagen stieg, fiel ihm ein silbergrauer Opel Manta auf. Der Wagen hatte ein fremdes Kennzeichen und war mit drei Männern und einer Frau besetzt. Karl schaute dem Manta nach, bis der hinter der nächsten Kurve verschwand.
Dann fuhr er weiter.
Jetzt hatte er nur noch die drei alten Frauen zu beliefern. Einmal im Monat fuhr Karl dorthin, und immer hatte er ein komisches Gefühl. Etwas stimmte mit diesen Weibern nicht. Sie saßen alle drei im Rollstuhl, waren an sich harmlos, aber Karl spürte doch jenen kalten Hauch der Gefahr, der von diesen Frauen ausging, wenn er ihnen gegenüberstand. Sie wohnten schon lange in ihrem einsamen Haus, und jeder im Ort fürchtete sich vor ihnen.
Die Hexen-Drillinge wurden sie genannt.
Eine Gänsehaut lief über Karls Rücken, als er daran dachte.
Er lenkte seinen Wagen mit einer Hand, die andere lag auf der Rückenlehne des Beifahrersitzes.
Noch fuhr er über die Hauptstraße, doch nach einem Kilometer mußte er rechts abbiegen.
Flach wie ein Brett war das Land. Wiesen und Felder bildeten ein geometrisches Muster. Schneemassen bedeckten sie. Als dunkle Inseln hoben sich die Mischwälder ab. Die Waldstücke waren oft kilometerlang und wurden hin und wieder von kleineren Seen unterbrochen.
Im Sommer war diese Gegend ein bevorzugtes Feriengebiet, ein Paradies für Kinder.
Der Weg wurde schmaler. Die Räder des Opels wühlten sich durch den tauenden Schnee und fußhohen Matsch. In einer Linkskurve rutschte der Wagen nach hinten weg, doch Karl gelang es, ihn wieder in die Spur zu bringen. Der gelbe Opel hob sich als Farbklecks von der Landschaft ab. Er zog eine helle Auspuffahne hinter sich her.
Das Haus der drei Schwestern lag in einem Wald. Wie im Märchen. Ringsum waren die Bäume abgeholzt, auf der Lichtung stand das Gras kniehoch und lugte zwischen Schneeresten empor.
Karl fuhr zwischen den Bäumen. Das klare Morgenlicht wurde gefiltert, der Wald machte es zu einem Wechselspiel von Hell und Dunkel. Noch eine Kurve, und Karl war da. Jedesmal rann ihm eine Gänsehaut über den Rücken, wenn er das Haus betrachtete.
Es war aus Holz gebaut, hatte zahlreiche Giebel und Vorsprünge und war verwinkelt wie eine Hexenhütte.
Ja, Hexenhütte war der richtige Ausdruck.
Die schmalen Reifen walzten das Gras platt, als Karl bis dicht vor die Tür fuhr.
Er stieg aus.
Die Frauen hatten seine Ankunft bereits
Weitere Kostenlose Bücher