0044 - Das Trio des Teufels
gab ich mich zu erkennen. »Möchten Sie reden?«
Ihr ängstlicher Blick glitt an mir vorbei. Ich drehte den Kopf. Dr. Mensching rappelte sich auf. Mit der Linken lockerte er seinen Krawattenknoten. Er taumelte in das Zimmer und ließ sich auf einen Stuhl fallen.
Ich schloß das Fenster.
»Was – was war das?« keuchte Mensching.
»Ein Panther«, erwiderte ich und nahm wieder auf der Bettkante Platz.
»Aber – aber…«
»Sagen Sie nichts, Doktor«, wehrte ich ab. »Es ist besser so. Ich weiß, daß alles sehr unwahrscheinlich klingt, aber wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen.«
Der Direktor schwieg.
Ich wandte mich wieder an Gisela Hoff. »Wenn Sie uns nichts sagen wollen, ist es auch nicht schlimm.«
Sie schaute mich an. Ihre Augen schwammen in Tränen. Dann flüsterte sie: »Doch, fragen Sie.«
Ich deutete auf das Fenster, das ich geschlossen hatte. »Haben Sie das Tier hereingelassen?«
Gisela nickte.
»Warum?« fragte ich.
»Weil ich eine Stimme hörte«, antwortete das Mädchen.
»Erzählen Sie das bitte genauer, Gisela. Sie hörten also eine Stimme. War sie weiblich, männlich?«
»Eine Frauenstimme.«
»Und was sagte sie?«
Gisela Hoff zog die Nase hoch und schluckte. »Sie rief nach mir und lockte mich. Sie sagte, ich solle das Fenster öffnen und abwarten. Das ist alles.«
»Was Sie auch taten.«
»Ja.«
Der Direktor begann zu lachen. »Alles Unsinn!« rief er. »Glauben Sie ihr kein Wort, Sinclair!«
»Nein!« rief das Mädchen. »Es ist kein Unsinn. Ich habe es erlebt. Ich schwöre es!«
Dr. Mensching hätte sich fast gegen die Stirn getippt, doch auf halbem Wege überlegte er es sich anders.
Ich wandte mich an den Direktor und sagte hart: »Ich stelle hier die Fragen, Dr. Mensching. Bitte, denken Sie daran.«
»Meinetwegen.«
Gisela Hoff sah ihren Direktor mißtrauisch an, der sich mit einem roten Tuch den Schweiß von der Stirn wischte. Aufmunternd lächelte ich dem Mädchen zu. »Sie haben die Stimme vernommen. Kam sie Ihnen bekannt vor?«
»Ja und nein.«
»Was heißt das?«
Gisela Hoff hob die Schultern. »Gehört habe ich sie schon mal. Ich kann mich nur nicht erinnern, wo ich sie gehört habe.«
»Überlegen Sie genau!« drängte ich.
»Ich – ich weiß nicht.«
»Gut.« Ich winkte ab. »Erzählen Sie bitte, was dann weiter geschah, nachdem Sie das Fenster geöffnet hatten.«
»Ich stand am Fenster, schaute nach draußen und suchte den Rufer. Doch da meldete sich niemand. Ich versuchte es noch einmal und beugte mich dabei hinaus. Plötzlich…« Gisela stockte. Sie holte tief Luft und sprach leise weiter. »Plötzlich sah ich den Schatten. Zuerst wußte ich nicht, was los war, hörte aber das Fauchen, und im nächsten Moment sprang das Tier ins Zimmer. Ich – ich bin vor Angst fast wahnsinnig geworden, kann ich Ihnen sagen. Ich schrie und warf mich in mein Bett, und der Panther sprang auf den Schrank.« Sie holte noch einmal tief Luft. »Dann kamen Sie.«
»Von der Frau haben Sie nichts mehr gesehen?« forschte ich.
»Nein.«
»Aber die Stimme klang so laut und deutlich, daß Sie sie verstehen konnten?«
Gisela nickte und bat um eine Zigarette. Ich gab ihr das Stäbchen und auch Feuer.
Dr. Mensching räusperte sich. Er war leidenschaftlicher Nichtraucher.
Ich unterhielt mich noch einige Minuten mit dem Mädchen und schlug ihm vor, einen Arzt kommen zu lassen. Doch Gisela winkte ab.
»Machen Sie sich meinetwegen keine Umstände, Herr Sinclair. Es geht schon wieder einigermaßen. Vor ein paar Tagen war es schlimmer, als sie – als sie meinen Freund fanden.« Gisela sog hastig an der Zigarette, so erregt war sie. Ich stand auf.
»Okay«, sagte ich, »dann bis später.«
»Herr Sinclair?«
»Ja?«
»Ich freue mich schon darauf, wenn Sie Unterricht geben. Morgen bin ich wieder dabei.«
»Das will ich hoffen.«
Zusammen mit Dr. Mensching verließ ich das Zimmer des Mädchens. Auf dem Gang meinte der Direktor: »Den Täter haben Sie nun.« Er sagte es fast heiter.
»Sie denken an den Panther?«
Er nickte.
»Und die Stimme, die das Mädchen gehört hat?« fragte ich.
Dr. Mensching winkte ab. »Alles Einbildung. Sie steht noch unter Schock.«
Den Eindruck machte mir Gisela Hoff allerdings nicht. Doch das sprach ich nicht aus.
Ein weiterer Gedanke schwirrte mir im Kopf herum. Was war, wenn der Panther und diejenige, die gesprochen hatte, ein und dieselbe Person waren?
Der Direktor blieb plötzlich stehen. Er wirkte auf einmal fröhlich.
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