0045 - Der Höllensumpf
Beach, Calle Sonora 11. Zufrieden, Professorchen?«
Zamorra brauchte nicht zu antworten. Sein Gesichtsausdruck war Antwort genug. Nicole hatte prächtig reagiert. Sie hatten ihre Kontaktadresse und in jedem Fall die Polizei vom Hals, mit der Professor Zamorra nur in absoluten Notfällen paktierte.
***
Aldo Terzano lauschte Sekundenbruchteile lang in sich hinein, ob er irgendein Gefühl dabei verspüren würde.
Doch da war nichts, außer jener selbst geschaffenen Feierlichkeit, die ihn schon bei dem Entschluss überfallen hatte, nach längerer Pause einen Menschen zu töten.
Kimme und Korn bildeten eine Linie, die am Schädel des zernarbten Fremden endete.
Aldo Terzano zog durch.
Er hatte so genau auf den devot gesenkten Kopf gezielt, dass sich ein zweiter Schuss erübrigte. Er sah auch die Wunde, doch er sah auch, wie sie sich in Sekundenschnelle wieder schloss und wie sich der Teppich wölbte, in den das Projektil schließlich geschlagen war.
Terzanos Mund öffnete sich zu einem Schrei. Der Fremde hob den Kopf. Seine stumpfen Augen sahen den kleinen Gangsterboss an.
Terzano konnte nicht anders. Er musste schießen. Wieder und immer wieder. Bis die Trommel geleert war.
Einer der Schüsse zumindest hätte die Augen durchbohren müssen, doch diese Augen blickten ihn unablässig an.
Eine leichte Regung im Gesicht des Narbigen.
Die dünnen Lippen zogen sich etwas auseinander. Und dann diese fürchterlich monotone, alltägliche Stimme, ohne Modulation, ohne den Hintergrund einer Gefühlsregung.
»Ich bin nicht zu töten, Herr…«
Aldo Terzano hielt seine Waffe gesenkt. Penetranter Korditgestank hatte sich im Raum ausgebreitet. Fassungslos starrte er auf den immer noch rauchenden Lauf mit dem klobigen Schalldämpfer hinab.
Dann wanderte sein Blick weiter, auf das Gesicht des Fremden zu.
»Herr…?«, sagte er, und jetzt klang seine Stimme so unsicher, dass auch ein Fremder seinen desolaten Gemütszustand bemerkt hätte. Es gab auch niemanden mehr im Zimmer, vor dem Aldo Terzano sein Grauen hätte verbergen müssen. Die Ursache dieses Grauens schaute ihn währenddessen an, wie ein Hund mit schlechtem Gewissen.
»Ja, Herr!«, sagte diese teilnahmslose Stimme, die Terzano so sehr aufwühlte. Nicht weil sie so teilnahmslos klang, sondern weil es diese Stimme überhaupt noch gab. Der Fremde hätte tot sein müssen.
So aber verunzierten sechs Löcher den Teppich, und das Wesen lebte.
»Herr…«, wiederholte Terzano nochmals, und jeder Psychiater hätte bescheinigt, dass es sich um die Stimme eines absoluten Kretins handelte, als diese Worte gesprochen wurden. Aldo Terzano wusste tatsächlich nicht mehr, ob er jetzt verrückt war oder normal.
Terzano tendierte zu der Meinung, er wäre verrückt, weil es nicht normal war, dass ein Mensch sechs Schüsse in den Schädel überlebte und dann sprach: »Ich bin nicht zu töten, Herr…«
Aldo Terzano sank in seinen hochlehnigen Sessel zurück. Der Colt war ihm entfallen. Nutzlos lag er am Boden. Ihm fiel ein, dass Askins berichtet hatte, ein Fabelwesen hätte Jeff Gruber aufgefressen.
Es hätte ihn jetzt in keiner Weise gewundert, wenn dieses Wesen mit einem Sprung über den Tisch gesetzt und ihm an die Kehle gefahren wäre.
Es dauerte eine ganze Zeit, bis Terzanos Verstand registrierte, dass er aus irgendwelchen Gründen Gewalt über dieses Wesen, das auch mit sechs Kugeln nicht zu töten war, besaß. Dieser Gedanke holte Aldo Terzano in die Wirklichkeit zurück. Und auch den brennenden Ehrgeiz eines gestrandeten Sizilianers.
Ein Lächeln spielte um die schmalen Lippen. Aldo Terzano war gewiss keine Intelligenzbestie, doch er war mit Sicherheit von einer schwer beschreibbaren, weniger vom Intellekt als vom Instinkt genährten raubtierhaften Schlauheit. Es war jene Intelligenz, die auch ein Dompteur haben muss, der mit Großkatzen arbeitet.
»Setzen!«, befahl er mit schneidender Stimme und kam sich dabei vor wie in einem Tigerkäfig. Die Ungereimtheiten von Askins’ Aussage glitten ihm in den Sinn, und er war versucht, sie für wahr zu halten.
»Du bist kein Mensch?«, fragte er, und seine Stimme klang fremd in den eigenen Ohren.
»Nein Herr. Ich bin kein Mensch mehr.«
Terzano hörte die Antwort kaum. Das heißt: er hörte sie, doch er ordnete sie nicht ihrer ganzen Tragweite entsprechend in sein Denkgefüge ein. Was er einordnete, war der Ausdruck »Herr«, mit dem dieses untötbare Wesen ihn ansprach.
Und gerade das war es, was Terzanos Denken und
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