0045 - Die Werwölfe von Wien
Himmel noch eine Chance bieten würde, würde sie sie auf jeden Fall nützen.
Der Werwolf eilte weiter!
Sabine Falks Herz machte einen begeisterten Hüpf er. Gerettet! Er hatte sie nicht bemerkt. Er suchte sie woanders!
Sabine konnte ihr Glück kaum fassen. Am liebsten hätte sie vor Freude laut aufgeschrieen. Doch war sie tatsächlich schon außer Gefahr?
Konnte dieser haarige Teufel nicht jeden Moment zurückkommen? Sabine Falk hielt es kaum noch in der engen, finsteren Nische aus.
Sie bekam darin Platzangst. Es drängte sie, das schützende Dunkel zu verlassen. Sie hörte den Werwolf durch die Geisterbahn poltern und hatte vor, sich in der entgegengesetzten Richtung lautlos davonzustehlen.
Langsam glitt sie aus der Nische. Sie schob sich an der rauen Wand entlang. Ihr Gesicht war dorthin gewandt, woher die Geräusche kamen, die das Monster verursachte.
Daß es solche Bestien tatsächlich gab, hatte Sabine Falk niemals für möglich gehalten. Und für noch viel unwahrscheinlicher hatte sie es bis vor wenigen Augenblicken gehalten, daß sie solch einer Höllengestalt jemals begegnen würde.
Kein Geräusch mehr! Der Werwolf lauschte wieder einmal.
Sabine überlegte hastig. Sollte sie stehen bleiben? Sich vollkommen ruhig verhalten? Abwarten, bis er mit seinem Gepolter wieder begann?
Sie dachte, er wäre weit genug von ihr entfernt, daß sie es riskieren konnte loszurennen. Aber diese Vermutung war falsch.
Es war ein furchtbarer Fehler, blitzschnell zu starten. Sabine kam nicht weit. Sie stieß gegen die langen behaarten Beine einer Plastik-Riesenspinne, verhedderte sich darin und fiel.
In fiebernder Hast kämpfte sie sich wieder hoch. Als sie weiterlaufen wollte, merkte sie, daß das Ungeheuer sich bereits in ihrer unmittelbaren Nähe befand…
***
Wir waren einen Moment unschlüssig. Suko stand neben mir. Mit dem geweihten Silberdolch in der Faust. In meiner Rechten lag die schussbereite Beretta. Plötzlich elektrisierte mich der Todesschrei des Mädchens.
Er kam aus der Geisterbahn. Wie vom Katapult geschleudert sausten wir auf das Spukhaus zu. Wir sprangen an der Kunstfelsfassade hoch, überkletterten Mauernasen und erreichten das Obergeschoss der finsteren Geisterbahn.
Ungestüm stieß ich die Tür auf. Gemeinsam mit Suko stürmte ich in die pechschwarze Dunkelheit hinein.
Ich konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Grauenerregende Geräusche drangen an mein Ohr. Kampflärm. Das Mädchen wehrte sich mit verzweifeltem Mut. Und es schrie.
Seine Schreie wurden immer schriller.
Ich befürchtete, nicht mehr rechtzeitig bei dem Mädchen einzutreffen, um sein Leben noch retten zu können.
Mit der Schulter prallte ich gegen einen hölzernen Vampir. Ein glühender Schmerz raste mir bis in die Fingerspitzen.
Mein Gesicht verzerrte sich, aber ich blieb nicht stehen. Die Sorge um Sabine peitschte mich immer tiefer in die undurchdringliche Finsternis hinein.
Suko stolperte, verlor das Gleichgewicht und prallte gegen meinen Rücken. Sein Schwung riß mich nach vorn.
Ich landete in den ausgebreiteten Armen einer Hexe, stieß mich von der leblosen Figur ab und keuchte weiter.
Als Sabines Schrei abbrach, wußte ich, daß wir den Wettlauf mit dem Tod verloren hatten.
Die vor uns liegende Stille war daraufhin erdrückend und peinigend. Für uns stand fest, daß wir zu einer Leiche unterwegs waren.
Ich stieß gegen irgendwelches Gestänge. Wenn wir bloß eine Taschenlampe bei uns gehabt hätten, um schneller und sicherer vorwärts zu kommen.
Wut wallte in mir auf. Wenn wir schon nichts mehr für das Mädchen tun konnten, so mußten wir wenigstens alles daransetzen, um den Werwolf unschädlich zu machen.
Ich sehnte mir eine Konfrontation mit der Bestie herbei, um sie für immer auszuschalten.
Ich wollte ihr Auge in Auge gegenüberstehen und wollte ihr den Tod geben.
Keuchend blieb ich eine Sekunde stehen. Da war ein Geräusch. Ganz in der Nähe. Ein furchtbares Röcheln.
Sabine!
Wir eilten auf das Röcheln zu und fanden das tote Mädchen.
Meine Wut schwoll so stark an, daß ich davon Magenkrämpfe bekam. Ich starrte grimmig in die Dunkelheit und hoffte, irgendeine Wahrnehmung zu machen, die mir verriet, wo dieser Teufel steckte.
Plötzlich hörte ich seine Schritte. Er stahl sich durch die Dunkelheit. Hinter mir lag das übel zugerichtete Mädchen.
Das war das Werk dieser Bestie.
War es da verwunderlich, daß ich keinen kühlen Kopf bewahren konnte? Ich bin kein Übermensch. Das Schicksal des
Weitere Kostenlose Bücher