0045 - Die Werwölfe von Wien
die Gaspistole abfeuern, doch dazu ließ es das hechelnde und knurrende Scheusal nicht mehr kommen.
Bevor Sabine Falk den Finger krümmen konnte, drosch ihr der Werwolf mit einem gewaltigen Hieb die Pistole aus der Hand.
Die Waffe flog in hohem Bogen durch die Luft und landete klappernd auf einem eisernen Kanalgitter.
Dem Mädchen war plötzlich heiß und kalt zugleich. Sie entsann sich der beiden Ausländer, die ihr geraten hatten, nach Hause zu gehen.
Sie wußte, daß sie jetzt verdammt dringend Hilfe brauchte. Und sie hoffte, daß sich John und Suko, wie die beiden geheißen hatten, noch nicht sehr weit entfernt hatten.
Lieber Gott, laß sie noch in Rufweite sein! dachte das zitternde Mädchen, und dann fing es laut zu schreien an.
***
Suko schüttelte lächelnd den Kopf. »Dieses Mädchen hat fast mehr Mut als ich.«
»Sie ist sich der Gefahr nicht bewußt, in der sie sich hier befindet«, erwiderte ich. Wir gingen noch ein Stück gemeinsam, bevor wir uns trennen wollten.
Suko fröstelte. »Es wäre fast zu schön, um wahr zu sein, wenn wir den Kerl gleich in der ersten Nacht erwischen würden, was?«
Ich grinste. »Dir ist doch nicht etwa kalt? Ich liebe die Kälte.«
»Ich nicht«, murrte der Chinese. »Es gibt schönere Orte, vor allem aber wärmere, wo ich jetzt bedeutend lieber wäre.«
»In Rio de Janeiro ist jetzt Sommer.«
»Gott, wie ich die Brasilianer beneide…«
Suko unterbrach sich jäh. Wir hörten einen markerschütternden Schrei. Es war der Schrei eines Mädchens. Das konnte nur Sabine sein!
Suko warf mir einen gehetzten Blick zu. »Verdammt!«
Wir reagierten auf den Schrei des Mädchens augenblicklich und auf eine ähnliche Weise. Während mein chinesischer Partner den geweihten Silberdolch zückte, ergriff ich blitzschnell meine Beretta und entsicherte sie.
Uns war sonnenklar, was dieser entsetzliche Schrei zu bedeuten hatte. Wir wußten, wem das rothaarige Mädchen soeben begegnet war, und wir rannten mit langen Sätzen den schrecklichen Schreien entgegen.
Plötzlich Stille!
Meine Kopfhaut zog sich zusammen. Ich befürchtete das Schlimmste. Deshalb lief ich noch schneller.
Suko konnte mein Tempo nicht mithalten. Er fiel etwas zurück. Niemand hätte dem Hünen zugetraut, daß er so schnell sprinten konnte.
Ich hörte ihn hinter mir schnaufen. Zehn Yards war ich noch von der Ecke entfernt, hinter der das Mädchen geschrien hatte.
Ich rannte, als ginge es um mein eigenes Leben. Aber ob das nun mein Leben oder das dieses Mädchens war, wo war da ein Unterschied?
Der schreckliche Killer durfte keinen weiteren Mord mehr begehen. Er hatte bereits dreimal tödlich zugeschlagen. Das war schon dreimal zuviel. Ich wollte mit allen mir zu Gebote stehenden Mitteln verhindern, daß er auch dieses Mädchen umbrachte.
Acht Yards… Der kalte Schweiß trat mir aus den Poren. Ich machte mir Vorwürfe. Wir hätten Sabine nicht allein weitergehen lassen sollen. Wir hätten sie begleiten müssen.
Verflucht noch mal, wir hatten sie einfach ihrem Schicksal überlassen, statt daß wir uns um sie gekümmert hätten.
Sechs Yards… Schwer lag die Beretta in meiner Faust. Ich war auf alles vorbereitet.
Er war ein Teufel, der nur aus einem Grund auf der Welt war – um zu töten. Deshalb wäre es falsch gewesen, sein Leben zu schonen.
Ein solcher Fehler würde mir bestimmt nicht unterlaufen, denn ich wußte seit langem über diese dämonischen Monster Bescheid.
Vier Yards. Drei… Zwei… Schwer atmend jagte ich um die Ecke. Ich hoffte, ihn sofort zu sehen, doch ich erblickte überhaupt niemanden. Auch das Mädchen nicht.
Nur ihre Tasche sah ich. Sie lag auf dem Asphalt. Und auf dem eisernen Kanalgitter lag ihre Gaspistole, die sie nicht einmal abgefeuert hatte. Dabei hatte sie sich so sehr auf diese Waffe verlassen.
Suko erreichte mich. Sein Atem rasselte. Helle Dunstfahnen flogen aus seinem offenen Mund.
»Wo ist sie?« fragte der Hüne atemlos.
»Wenn ich das nur wüßte!« gab ich reichlich besorgt zurück, während ich mich suchend umblickte…
Jäh hatte Sabine Falk zu schreien aufgehört. Sie hatte begriffen, daß sie ihr Leben damit nicht retten konnte. Deshalb war sie augenblicklich herumgewirbelt, war auf die geschlossene Geisterbahn zugelaufen und an der künstlichen Felsfassade hochgeklettert.
Im Obergeschoss der Geisterbahn schlüpfte sie durch eine Lücke. Der Werwolf stieß ein ärgerliches Knurren aus und folgte dem Mädchen.
Sabine stolperte über die hohen
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