0045 - Die Werwölfe von Wien
gab Automaten, die einen Krieg in der Arktis simulierten, man konnte auf Cowboys schießen, die auf einer Projektionswand erschienen, und man konnte einen Karatekämpfer verdreschen…
Golo Diess hockte breit in einem Glaskasten. Wenn man ihn so ansah, mußte man meinen, daß derjenige, der ihn anredete, Gefahr lief, von ihm gebissen zu werden.
Ich nahm dieses Risiko dennoch auf mich. »Guten Tag«, sagte ich freundlich.
Er schoß unter seinen buschigen Augenbrauen einen giftigen Blick auf mich ab. »Was wollen Sie?«
»Mit Ihnen reden.«
Golo Diess schüttelte verdrossen den Kopf. »Ich mag mich mit niemandem unterhalten. Bin nicht in Stimmung. Wenn Sie spielen wollen, geht das in Ordnung. Aber aus einem Gespräch wird nichts.«
»Was ist Ihnen denn über die Leber gelaufen?«
»Zwei Kriminalbeamte, wenn Sie’s genau wissen wollen. Ich kann die nicht ausstehen. Diese Beamten möchten einem immer irgend etwas anhängen. Sie sind Engländer, was?«
»Ja«, antwortete ich.
»Geht’s bei Ihnen drüben auch so zu?«
»Nun, wenn Sie wissen wollen, ob bei uns die Polizei auch ihre Pflicht tut – ja, das tut sie.«
»Ihre Pflicht«, wiederholte Golo Diess verächtlich. »Ist es denn die Pflicht der Polizei, den Menschen Löcher in den Bauch zu fragen?«
»Wie soll sie denn einen Mörder fangen, wenn sie keine Fragen stellt?«
»Ist das mein Problem? Ich möchte lediglich, daß man mich in Ruhe läßt, verstehen Sie? Ich hasse es, wenn man mich wie einen Verbrecher behandelt. Sie hätten die beiden vorhin erleben müssen. Die haben fast so getan, als hätte ich die Frau umgebracht.«
»Schreckliche Sache, dieser Mord«, meinte Suko.
Golo Diess zog ungerührt die Mundwinkel nach unten. »Haben Sie sie gekannt?« fragte ich.
»Wer hat die nicht gekannt? War verflixt schön. Aber ein Biest.«
»Hatten Sie mal Streit mit ihr?«
»Mit ihr nicht, aber mit ihrem Zuhälter, diesem Harry Sebald. Mit dem bin ich schon ein paar mal aneinandergeraten. Das ist vielleicht ein mieser Kerl. Den müßten Sie mal kennen lernen. Harry Sebald ist der größte Schurke, den Sie in dieser Gegend finden können. Verdammt noch mal, es wäre wirklich nicht schlecht, wenn sich dieser Killer, der Sabine erwischt hat, an Harry Sebald halten würde…«
Widerlich. Dieser Kerl war einfach widerlich. Suko und ich wechselten einen raschen Blick. Mein chinesischer Freund war derselben Meinung wie ich.
»Vier Morde hat der Kerl nun schon verübt. Soviel ich weiß, wurde drüben in der Rustenschacherallee vergangene Nacht ein Straßenbahner ermordet«, sagte ich nachdenklich. »Das Gespräch mit Ihnen war sehr aufschlussreich, Herr Diess«, bedankte ich mich. Dann verließen wir die Spielhalle dieses unsympathischen Kerls.
Suko schüttelte draußen den Kopf. »So was habe ich noch nicht erlebt.«
»Er hat sie nicht alle«, meinte ich.
Suko leckte sich die Lippen. »Vorhin ist mir eine ganz verrückte Idee gekommen, John.«
»Welche?«
»Der Killer scheint sich in dieser Gegend hervorragend auszukennen. Deshalb ist der Prater sein Revier. Der Kerl ist groß und kräftig… Golo Diess kennt sich garantiert verdammt gut hier aus, und auch er ist groß und kräftig… Und er wünscht dem Abschaum den Tod.«
Suko hatte mit keinem Wort direkt den Verdacht ausgesprochen, daß Golo Diess Dreck am Stecken haben könnte. Aber genau das hatte er mit seiner Rede gemeint. Es war nicht zu überhören gewesen.
Golo Diess – der gesuchte Werwolf?
»Gar so verrückt ist deine Idee nicht«, sagte ich zu meinem chinesischen Partner.
»Findest du nicht?«
»Nein. Ich denke, wir sollten den Mann im Auge behalten, sobald die Dämmerung einsetzt. Wer weiß, was wir dabei für eine Überraschung erleben werden.«
Wir aßen in einem Wirtshaus zu Mittag und trieben uns dann zwei weitere Stunden im Prater herum. Wir prägten uns die Örtlichkeiten genau ein, damit wir uns nachts besser zurechtfanden.
Wir durchschritten auch einen Teil der angrenzenden Praterau und kehrten gegen fünfzehn Uhr dreißig zum Hilton zurück. Der Mann an der Rezeption sagte: »Da war vor zehn Minuten ein Anruf für Sie, Mister Sinclair.«
»Wer…?«
»Ein Herr Vladek Rodensky. Er hat mir diese Nummer genannt.« Der Angestellte schob mir einen Zettel zu. »Und er bat mich, Ihnen zu bestellen, Sie möchten so bald wie möglich zurückrufen.«
Ich rief Vladek von meinem Zimmer aus an. Suko war bei mir.
»Na, Vladek, was liegt denn an, außer den Ohren?« fragte
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