0046 - Das Haus der Verfluchten
Waldlichtung hauste, niedergeschrieben wurde. Du nahmst das Buch in Empfang und wolltest es in das Schloss der Bradois bringen. Wir wollen die Worte wissen, die der alte Mann damals aufgeschrieben hat. Heute darf ein solcher Fluch keine Gültigkeit mehr haben. Die letzte Frau aus dem Geschlecht der Bradois steht hier neben mir. Sie ist bereit zu sühnen, was ihr Vorfahre vor Jahrhunderten verbrochen hat. Was kann sie tun? Wie ist die Sühne auszuführen? Sprich, du kennst den Spruch, du hattest das Buch!«
»Herr, es ist alles wahr, was du sagst, aber ich weiß nicht, was der Alte aufgeschrieben hat. Ich kann nicht schreiben und lesen! Keiner von uns konnte es. Wir sind unwissende Bauern gewesen und hatten unter dem Joch der Bradois zu leiden, obwohl wir Freie waren. Ich weiß noch, dass wir vier Söhne des alten Barons erschlugen, dann wurden wir gefasst und zum Tode durch Verhungern verurteilt. Wir waren bereits vier Tage in diesem Kerker. Man hatte uns an diese Ketten angeschmiedet, und dann brachte man unsere Frauen und Kinder. Sie erhielten Ketten, die fast bis zu uns reichten, aber wir konnten sie nicht berühren, nur sehen. Das erschien uns zuerst sehr grausam, später aber wie eine Gnade. Wir durften sterben und uns dabei sehen. Wir waren nicht alleine, sondern hatten unsere Liebsten bei uns. Das hat uns etwas mit dem ungerechten Schicksal versöhnt, das uns heimsuchte.«
Der Professor stand wie erstarrt, und nach dem Bericht des Skelettes, das schon so lange Zeit in diesem Gewölbe hing, sagte er: »Wo ist das Buch geblieben, das ihr im Schloss verstecken solltet? Was ist damit geschehen?«
»Man nahm es uns ab. Die Mönche hatten es zuletzt, und sie waren sehr aufgeregt darüber. Das ist alles, was ich darüber weiß.«
»Welchen Glauben hast du?«
»Ich bin ein Hugenotte und auch deshalb gestorben. Alle hier, auch die Frauen und die drei Kinder, waren Hugenotten. Warum du mit mir sprechen kannst, weiß ich nicht, aber es hat sicherlich mit dem Buch zu tun, ich hatte es die ganze Zeit bei mir.«
»Wenn du auf einem christlichen Friedhof begraben wirst, hilft dir das?«
»Es ist gleichgültig, wo du unsere Gebeine begräbst, es ist auch gleichgültig, ob die Glocken läuten; einzig, dass wir aus diesem Kerker erlöst werden, ist wichtig.«
»Wir werden noch heute dafür sorgen«, versprach der Professor.
Dann kam nochmals die Stimme des Mannes, der seit Jahrhunderten tot war.
Er fragte: »Du hast eine große Macht. Wer bist du?«
»Ich beschäftige mich mit Dingen, die in deiner Zeit an Zauberei grenzen würden. Solche Vorfälle und Erscheinungen bekämpfe ich. Jetzt versuche ich, der letzten Besitzerin des Schlosses Bradois zu helfen.«
»Sage ihr, dass ihre Vorfahren ungerecht waren, dass sie Menschen grundlos umgebracht haben, nur um das Land und den Besitz zu bekommen. Sage ihr auch, dass jetzt wohl eine andere Zeit ist, und dass wir ihr verziehen haben, so wie wir allen künftigen Geschlechtern der Bradois bereits vor unserem Tode verziehen haben. Aber das kann den Fluch nicht aufheben. Ich wünsche dir, dass du das Buch und den Spruch findest. Es soll Ruhe auf Schloss Bradois einkehren. Und vergiss nicht, dass du uns alle hier herausholen und begraben wolltest. Nun lass uns in Frieden. Ich sehe dort hinten meine Frau und meine Tochter. Sie wollen etwas sagen, können es aber nicht. Geh jetzt, und lass uns nicht zu lange warten.«
Zamorra schwieg und wartete ab, bis das bläuliche Leuchten verschwunden war.
Wie zuvor hingen die Skelette in den schweren Ketten.
Nur die Knochen eines Skelettes hatten jetzt eine andere Lage eingenommen.
Nach einiger Zeit versuchte Lucille Renard, etwas zu sagen. Sie musste sich zuerst räuspern, dann kamen die Worte heraus.
»Habe ich das alles wirklich gesehen? Hat dieser Mann hier tatsächlich mit uns gesprochen? Oder ist das nur eine Halluzination gewesen? Aber die Knochen liegen ja anders!«
Diesen letzten Satz schrie sie fast.
Auf einen Wink des Professors trat Nicole an das Mädchen heran und erklärte ihr, was geschehen war.
Lucille fasste sich erstaunlich schnell wieder, nachdem sie die Erklärung für das soeben Gesehene erhalten hatte.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Nicole. »Wir sind keinen Schritt weitergekommen!«
Statt einer Antwort rief Zamorra: »Martin, hören Sie mich?«
»Ja, Herr Professor, aber da war doch noch ein Mann, der gesprochen hat.«
»Das ist jetzt egal. Ich habe eine Bitte. Lassen Sie auf dem Familienfriedhof
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