0048 - Wir machten dem Spuk ein Ende
euch alle fünf jetzt hinter Schloß und Riegel bringen könnten«, sagte ich ernst. »Ihr habt euch aufgeführt wie die übelsten Gauner. Und ihr hattet scharf geladene Schußwaffen, obgleich ich davon überzeugt bin, daß nicht einer von euch einen Waffenschein besitzt.«
Sein Gesicht verfinsterte sich wieder. »Stimmt«, gab er zu, »wir haben keinen Waffenschein. Und es stimmt auch, daß wir uns wie Ganoven aufgeführt haben. Aber deswegen will ich ja gerade mit Ihnen sprechen.«
Ich hatte schon seit einiger Zeit das Gefühl, daß sich hier eine neue Spur anbot. Der Junge wollte über irgend etwas sein Herz erleichtern, das war ihm anzumerken. Solche Augenblicke sind die schönsten im Leben eines Kriminalisten. Wenn irgendwo der Damm bricht, wenn einer seine Scheu verliert, wenn ein Kronzeuge plötzlich auspackt!
»Na schön«, redete ich ihm zu. »Dann erleichtere ruhig dein Herz. Wir haben für vieles Verständnis.«
Er nahm sich einen Hocker und setzte sich darauf. Es war ein eigenartiges Bild, wie wir drei auf hohen Barhockern in einem Kellerraum saßen, als hätten wir eine gemütliche Unterredung vor, während doch in jeder Sekunde ein Gangster aufkreuzen konnte mit dem Auftrag, uns für immer zum Schweigen zu bringen.
»Die Sache ist so«, begann der Junge. »Wir fünf waren immer so etwas wie eine kleine Bande. Völlig harmlos, verstehen Sie? Wir steckten immer unsere Köpfe zusammen, schon in unserer Schulzeit. Bis Chris…«
»Wer ist das?« unterbrach ich.
»Chris Forwook, der älteste von uns.«
»Wie sieht er aus? Was für eine Krawatte trug er?«
»Eine rot getupfte.«
Ich hatte es mir gedacht. Der war mir von Anfang an als der wildere der jungen Burschen erschienen.
»Also, bis Chris…«, ermunterte ich ihn, fortzufahren.
»Ja. Bis Chris eines Tages auf den Gedanken kam, wir könnten doch eine richtige Bande bilden. Er hatte auch schon einen Auftrag für uns besorgt. Wir sollten jeden Dienstag abend hier im Lokal für Ordnung sorgen. Wir sollten unbeliebte Gäste an die Luft setzen und ähnliches. Dafür bekämen wir jeder dreißig Dollar. Zuerst fand ich das aufregend. Aber dann merkte ich daß hier nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Ich habe ein paarmal versucht, meine Kameraden dazu zu bewegen, die Sache aufzugeben. Aber sie waren völlig verrückt geworden und kamen sich alle schon wie halbe Al Capones vor.«
»Aber du möchtest nicht mehr mitmachen?«
»Nein. Ich will Schluß machen.«
»Schön. Wie heißt du?«
»Levy Ranger.«
»Also, Levy. Hör zu: In diesem Lokal wird aller Wahrscheinlichkeit nach eins der übelsten Verbrechen ausgeführt, das es überhaupt gibt: das Verbrechen mit Rauschgift. Mit allen möglichen Verführungskünsten bringt man willensschwache Menschen dazu, es ›nur einmal zu probieren‹. Aus einmal probieren wird zweimal und dreimal. Und schließlich sind die Opfer von allein so weit gekommen, daß sie es nicht mehr lassen können. Sie brauchen das Gift immer wieder. Sie bezahlen schließlich Unsummen dafür. Sie ruinieren ihre Existenz. Sie verkaufen das letzte Möbelstück, um immer wieder in den Besitz des Rauschgiftes kommen zu können. Ob Frau oder Kinder hungern müssen, ob ihr Geschäft zusammenbricht, ob ihr Körper vom Gift zerrüttet, ihr Geist an den Rand des Wahnsinns gebracht wird — nichts zählt vor der Sucht nach dem Gift. Im letzten Stadium sind sie bereit, ihre eigenen Kinder umzubringen, wenn man ihnen dafür neues Gift geben würde. Das geschieht hier in diesem Lokal. Dazu habt ihr euch her gegeben!«
Er sah mich mit weit aufgerissenen Augen an. Er war ehrlich entsetzt.
»Sir, das wußte ich wirklich nicht!« beteuerte er.
»Ich glaub’ dir‘s. Aber das kommt davon, wenn man Gangster spielen will. Spielt meinetwegen sonst etwas, spielt was ihr wollt und was ihr euch nur erdenken könnt — nur spielt nicht Gangster. Dieses Spiel wird mit Blut, Tränen und Flüchen gespielt. Es ist zu ernst, zu brutal und zu grausam, als daß man es spielen könnte!«
Er sah beschämt auf seine Schuhspitzen. Ich klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.
»Levy, du hast noch im richtigen Moment geschaltet. Geh nach Hause und laß dich nie wieder auf solche Sachen ein!«
Er bekam einen roten Kopf.
»Sir«, rief er, »deswegen habe ich nicht mit Ihnen gesprochen!«
»Warum sonst?«
»Ich möchte Ihnen helfen! Es weiß doch keiner, daß ich mit Ihnen gesprochen habe! Ich könnte doch in der Bande bleiben und Ihnen heimlich immer
Weitere Kostenlose Bücher