005 - Nachts wenn die Toten kommen
aus, um sie zu berühren. Doch seine
Finger griffen in die leere Finsternis.
»Ich hege jetzt andere Gedanken, Don«, fuhr sie fort, »die mit Bestimmtheit
nicht in deine Welt passen. Ich habe, das muss ich dir gestehen, schon mit
diesen Gedanken gespielt, noch während ich bei dir weilte. Mein Kontakt zu
Sandra hat mich vieles gelehrt, was ich in der Vergangenheit falsch machte.«
»Du hattest Kontakt mit Sandra, ich weiß, ich habe es gelesen.« Wie eine
Anschuldigung kamen die Worte über seine Lippen. Er stand starr am Fuß der
Treppe, und nur die Augen in seinem Gesicht schienen zu leben. Er erkannte die
Umrisse der Möbel, der Kerzenständer und der Bilder an der Wand, und
unwillkürlich blieb sein Blick an dem Porträt seiner Frau hängen, das links
neben dem Treppenaufgang befestigt war. Bewegte sich das Innere des Bildes
nicht? Die Dunkelheit vor seinen Augen wogte wie ein zäher Nebel auf und nieder
und verzerrte die Umrisse des Porträts.
»Du hast Angst, Don!« Die Stimme kam von dem Bild. Als ob ihn eine eisige
Hand dirigierte, ging Donald Ritchner auf das Bild zu. »Aber du brauchst keine
Angst zu haben, Don, es ist nur ...« Hier brach sie plötzlich ab.
Donald Ritchner stand vor dem großen Porträt. Seine Hände fuhren über die
harte Ölschicht. Seine Bewegung erfolgte etwas zu hastig, zu unkonzentriert. Er
verschob den Rahmen nur um zwei Millimeter, ohne dass ihm das bewusst wurde.
Das Bild rutschte unter seinen Fingern durch und krachte schwer auf den
Fußboden. Wie Donner verebbte das Geräusch in dem stillen, verlassenen Haus, in
dem die Toten erschienen.
»Sie rufen mich, Don!« Carolines Stimme klang plötzlich gequält. »Ich muss
zurück, ich muss dorthin, wohin ich jetzt gehöre. Zu Sandra, zu den anderen.
Ich weiß nicht, ob ich noch mal zu dir sprechen kann. Auch wir Geister sind an
die Gesetze des Jenseits gebunden. Ich befinde mich im Augenblick in einem
Zwischenstadium, aber dieser Zustand ändert sich ständig, ich merke, wie der
Kontakt zu dir schwächer wird, Don, Sandra ist jetzt da, sie spricht mit mir,
hörst du sie?« Ihre Stimme wurde ganz leise, so, als ob eine dicke Wattewand
sie dämpfen würde.
Und dann war da noch eine zweite Stimme.
»Komm, Caroline! Endlich bist du gekommen. Die andere Welt, jetzt liegt sie
vollends hinter dir!«
Donald Ritchner schluckte. Es war Sandras Stimme! Erst jetzt schien ihm
klarzuwerden, was sich hier wirklich abspielte.
Sandra, die seit Jahren tot war, sprach! Es gab Tonbandbriefe von ihr, und
er hatte diese Stimme in den letzten Jahren durch diese Aufzeichnungen immer
wieder gehört. Er hatte sie nicht vergessen, er wusste, wie sie auf dem Band
klang. Hier aber klang sie wie im wirklichen Leben!
Donald Ritchner wich langsam zur Treppe zurück.
Seine Nerven hatten die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit erreicht. Er konnte
sich vorstellen, dass er nicht mehr allein in diesem Haus war. Caroline und
Sandra – sie waren in seiner Nähe, sie gingen aufeinander zu – zwei
Schattenwesen, zwei Geister in dieser Finsternis.
Plötzlich bewegte sich das Dunkel vor ihm wirklich. Donald Ritchner wollte
schreien, aber seine Stimme versagte ihm den Dienst. Er sah die bleichen,
schimmernden Knochen vor sich. Ein Skelett – nein, zwei!
Sie kamen auf ihn zu. Die Finsternis vor ihm schien sich wie ein schwarzer
seidener Vorhang zu teilen.
Er sah die schimmernden knöchernen Schädel auf den spitzen, fleischlosen
Schultern. Sie bewegten sich, die Kieferknochen mahlten, die etwas zu lang
geratenen Arme schienen wie von unsichtbaren Fäden in die Höhe gezogen zu
werden.
Mit einem gurgelnden Aufschrei warf sich Donald Ritchner herum. Er
stolperte drei, vier Treppenstufen hoch, fiel zu Boden und raffte sich wieder
auf.
Auf allen Vieren kroch er die Treppe in die Höhe und richtete sich auf.
Zwei Skelette standen vor ihm und streckten die knöchernen Hände nach ihm aus!
Donald Ritchner schrie. Das Ganze war ein Alptraum seiner überreizten
Nerven. Er wankte, verlor das Gleichgewicht und stürzte die Treppe hinab. Vier
Skelette umringten ihn.
●
Frankie Boddingham war auf jeder Party, ob offiziell oder inoffiziell. Er
war der erste, wenn es begann, und er war der letzte, der ging.
In dieser Nacht hatte er sich mit einigen Freunden und hübschen Mädchen in
der Wohnung eines Bekannten getroffen. Alkohol war in reichlichen Mengen
geflossen, und ein Freund Frankies hatte Joints verteilt.
Frankie genoss das Leben in vollen Zügen. Er hatte
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