0050 - Der Gelbe Satan
Falls aus der Halfter gerutscht sein. Verdammt, das hatte mir noch zu meinem Glück gefehlt. Diese Tatsache war jedoch Ansporn für mich weiterzumachen. Ich brachte meine gefesselten Hände dicht an die Lippen und begann, mit den Zähnen die Stricke zu bearbeiten.
Es war eine Schinderei. Die Stricke stanken. Sie strömten einen widerlichen Geruch aus, und es kostete mich Überwindung, überhaupt mit den Zähnen daranzugehen. Doch mir blieb keine andere Wahl. Wer sich in solch einer Situation befand, der ging über manches hinweg.
Auch ich…
Ich riß und zerrte. Die einzelnen Fäden waren verflixt widerstandsfähig. Sie stachen mir in die Lippen, so daß ich anfing zu bluten.
Das machte mir nichts.
Ich biß, zerrte und zog. Versuchte, die Hände gegeneinander zu bewegen, drehte meine Gelenke, versuchte, sie zu biegen und so die Stricke weiter zu lockern. Wieviel Zeit verging, wußte ich nicht. Ich verlor das Gefühl dafür. Ich dachte nur an meine Aufgabe.
Dann riß der erste Faden.
Ich hätte jubeln können vor Freude, doch ich beherrschte mich und machte statt dessen weiter.
Noch eifriger, noch verbissener.
Irgendwann fiel ich erschöpft zur Seite. Ich konnte einfach nicht mehr.
Doch die Fesseln saßen noch.
Würde ich sie jemals abbekommen?
Ich mußte wohl etwas zu viel Schwung gehabt haben, denn ich rutschte über die Säcke hinweg und fiel auf die Planken. Dabei spürte ich einen harten Druck an meiner Hüfte.
Die Beretta!
Ich hatte sie wieder.
Das gab mir neuen Mut. In meiner Rückenlage machte ich weiter. Biß, zerrte und zurrte.
Wann endlich würden diese verdammten Dinger fallen? Gelockert hatten sie sich schon. Es mußte mit dem Teufel zugehen, wenn ich die Stricke nicht abbekam. Wieder riß ich, bog beide Arme in entgegengesetzte Richtungen.
Irgendwo riß wieder ein Faden.
Na also…
Ich machte weiter. Längst war ich in Schweiß gebadet und keuchte wie eine alte Lokomotive. Auf meinen Lippen spürte ich das Blut. Sie waren angeschwollen und schmerzten, aber darum konnte ich mich im Augenblick nicht kümmern.
Noch einmal legte ich all meine Kraft in den Befreiungsversuch. Und die Fesseln fielen.
Tatsächlich.
Plötzlich hatte ich die Hände frei. Durch die Bewegungen war auch mein Kreislauf wieder munter geworden. Und trotzdem tat es noch höllisch weh, als das Blut wieder in die Hände schoß.
Aber ich hatte es geschafft.
Nun mußten noch die Fußfesseln fallen.
Um sie zu lösen, brauchte ich nicht meine Zähne, das schaffte ich mit den Händen. Ich setzte mich aufrecht hin, beugte mich vor, massierte noch ein paarmal meine Gelenke und steckte erst einmal die Beretta ein.
Mitten in der Bewegung hielt ich inne.
Der Boden unter mir begann zu vibrieren. Dann hörte ich ein Stampfen und Knirschen. Der gesamte Kahn wurde durchgerüttelt, und im nächsten Augenblick merkte ich, wie das Schiff langsam Fahrt aufnahm.
Meine Reise ins Ungewisse begann!
***
Kai-tak lag auf einer Matte. Neben ihm kniete ein kleiner Mann, der einen weißen Kittel trug.
Es war der Arzt.
Und er hatte Kai-tak die Kugel aus dem Arm geholt. Ohne Narkose ließ der hünenhafte Chinese diese Operation über sich ergehen. Dieser Mann war wirklich außergewöhnlich. Er ertrug die Schmerzen, als wären sie nichts.
Dann bekam er eine desinfizierende Salbe auf seine Wunde geschmiert und einen Preßverband um den Arm gewickelt.
»Sei in den nächsten Tagen etwas vorsichtig mit deinem Arm«, sagte der Arzt. Kai-tak versprach es.
Dann wandte sich der Weißkittel an Li-Shen und verbeugte sich. »Es war mir eine Ehre, für dich arbeiten zu dürfen«, sagte er.
»Was bekommst du?«
»Nichts.«
Der Arzt verbeugte sich wieder. »Ich danke dir für deine Güte, großer Li-Shen.« Ein Diener führte ihn danach aus dem Haus.
Suko hatte wieder Grund, sich über Li-Shens Macht und seinen Einfluß zu wundern. Wenn er pfiff, dann tanzten die anderen. Und nicht einmal aus Angst, sondern weil sie Li-Shen respektierten.
Das war der Unterschied zu anderen Mächtigen, zum Beispiel den Mafiabossen.
Kai-tak setzte sich auf. Ein Lächeln spielte um seine Lippen. Dann zeigte er auf seine Wunde. »Der Kerl hat einfach geschossen. Wenn Suko mich nicht zur Seite gestoßen hätte, wäre ich jetzt tot.«
Mein Freund winkte ab. »Nun übertreibe nicht«, erwiderte er.
»Es stimmt aber.«
Li-Shen sagte: »Allgemein gesehen habt ihr keinen Erfolg gehabt. Mike Kilrain ist tot, ohne einen Hinweis darauf gegeben zu haben, wo sich John
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