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0050 - Der Stein des Satans

0050 - Der Stein des Satans

Titel: 0050 - Der Stein des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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schützenden Dach zusammen, und während die eisernen Spitzen der Pfeile darauf niederprasselten, wichen die Bogenschützen des Kalifen auseinander und preschten nach beiden Seiten davon.
    Wie ein Keil löste sich ein Reitertrupp aus der Tiefe der Formation.
    Schnell wie der Wind jagten die edlen Araberpferde dahin, stießen auf das Kreuzfahrerheer zu, noch ehe die Ritter im Schutz ihrer Schilde bemerkten, dass der Pfeilhagel sie nur abgelenkt hatte.
    Schwerter wurden geschwungen, hell klirrten Lanzen gegen die Brünnen. Tief bohrte sich der Keil des wilden Angriffs in die Reihen der Kreuzritter. Schon fluteten sie zurück, wollten zur Seite ausweichen und Raum gewinnen – da schossen von den Flanken her die Bogenschützen erneut ihre todbringenden Pfeile ab.
    Keine Chance mehr für das Heer der Kreuzfahrer, sich aus der furchtbaren Klammer zu befreien.
    Fasziniert sahen Nicole und Bill zu, wie sich die Gegner ineinander verbissen. Schwerter pfiffen. Pferde und Männer stürzten getroffen zu Boden, von Streichen gefällt oder Lanzen durchbohrt, und die Schreie Sterbender mischten sich mit qualvollem Wiehern. Eine Staubwolke stieg auf, schien das ganze entsetzliche, barbarische Getümmel in einen Schleier zu hüllen, den die Abendsonne glühend rot färbte – und schauernd sah Nicole, dass das Blut der Opfer buchstäblich den Boden tränkte.
    »Himmel!«, flüsterte sie. »Das ist – unmenschlich, das ist…«
    »Es ist menschlicher als unser moderner Bombenkrieg!« Verzweifelt zerrte Bill Fleming an den Fesseln, die sich fast schon gelockert hatten. »Es ist immer noch – ein Kampf – bei dem nur die fallen – die sich daran beteiligen! Es ist…«
    Er stockte.
    Mit einem letzten, wilden Ruck war es ihm gelungen, die Rechte freizubekommen.
    Jetzt, da die Stricke lockerer saßen, schaffte er es auch mit der Linken, und Nicole seufzte auf vor Erleichterung, als sie beobachtete, wie der junge Historiker die restlichen Fesseln abschüttelte.
    Minuten später war auch sie frei.
    Immer noch tobte der Kampf, wogten Menschen und Pferde, wurden die Kreuzfahrer mehr und mehr in Richtung auf ihr Heerlager zurückgedrängt. Ein rotbärtiger Hüne führte eine Gruppe von der Flanke her gegen die Bogenschützen, Raymond Navarre hieb sich eine blutige Gasse hin zu der Stelle, wo nur das schwankende Kreuzbanner verriet, dass sich eine kleine Schar Verlorener in der Flut der Feinde behauptete. Mit gellendem Geschrei wogte Sekunden später die Nachhut des Kalifenheeres über den Hügel. Der Rotbärtige wurde abgeschnitten. Pfeile prasselten auf die kleine Gruppe herab, und Achmans Reiter fielen ihr in den Rücken. Für einen Moment schien inmitten der Schlacht ein noch wilderes, verbisseneres Getümmel auszubrechen – und dann stieg ein Verzweiflungsschrei aus vielen Kehlen in den roten Himmel.
    »Navarre!«
    »Raymond Navarre gefallen…«
    »Wehe uns! – Wehe…«
    Nicole fühlte sich am Arm gepackt, Bill zog sie hastig zur Seite.
    Felsen nahmen sie auf, schützten sie gegen jede Sicht, während sie höher kletterten. Die Luft hallte wider vom Schlachtlärm – und als Bill Fleming vorsichtig über den Rand eines Steinblocks spähte, zuckte er jäh zusammen.
    »Da!«, flüsterte er. »Schauen Sie sich das an, Nicole!«
    Sie schob sich neben ihn.
    Im ersten Moment konnte sie nur wallenden Staub, Bewegung und Lichtreflexe auf Schwertern und Schilden erkennen. Dann sah auch sie die kleine Gruppe der Ritter, die sich aus dem Kampfgetümmel gelöst hatten und dorthin preschten, wo keine anstürmenden Araber den Weg versperrten. Zwölf waren es. Zwölf Männer in schimmernden Rüstungen, wehenden Mänteln – und an ihrer Spitze jagte eine hoch gewachsene Gestalt, deren Schild unter dem breiten Querbalken des Kreuzes das Wappen mit Adler und Lilien führte.
    Leonardo!
    Leonardo de Montagne, der irgendwann später den Beinamen »der Schreckliche« bekommen sollte.
    An der Spitze seiner Leute trieb er das Pferd einen Hügel hinauf, entfernte sich immer weiter von den kämpfenden Heeren – und blitzartig fielen Nicole wieder die Sätze aus der alten Chronik ein:
    »In Leonardos Herz aber erwachte frevlerische Gier. Zwölf Getreue waren es, die ihm folgten. Sie trennten sich von den Kämpfenden, überließen die Tapferen einem schrecklichen Schicksal. Mordend und plündernd zogen sie durch den Palast und brachen die Siegel der Schatzkammer…«
    »Er flieht!«, stieß Nicole hervor. »Genau wie es in der Chronik stand, Bill! Er zieht

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