0052 - Der Teufelsring
Hotelzimmer zurück. Die Nachttischlampe brannte ebenfalls wieder. Kalkigweiß leuchtete Nicoles Gesicht in ihrem Schein. In den Augen des Mädchens lag noch tiefe Verständnislosigkeit. Ihr Verstand weigerte sich, das soeben Erlebte als wahr anzuerkennen.
»Beruhige dich, Nicole«, sagte Zamorra weich und legte seine Hände auf die nackten Schultern des Mädchens. Er fühlte die Gänsehaut und die feinen Härchen, die sich aufgestellt hatten. »Es ist ja alles wieder gut. Es ist vorbei. Diese Nacht wird uns nichts mehr geschehen.«
»Ich habe nicht geträumt?«
»Leider nein. Dieser Alptraum war wahr. Seien wir froh, dass er vorbei ist. Das Amulett hat uns beschützt. Doch es war knapp gewesen. Ich hatte sehr viel Glück, dass dieses Wesen nicht besser mit diesem Stein zielte. Die Strahlen hätten uns beide atomisiert.«
»Das also war der Stein Ahrimans…«
Zamorra nickte.
»Wir müssen es annehmen. Irgend jemand hat den alten Fluch gebrochen, und ist zum neuen Sklaven dieses Dämons geworden. Der Anblick meines Amuletts hat ihn nicht zerstören können. Ich fürchte, es wird nicht einfach für uns werden, dieses Geistwesen zur Strecke zu bringen.«
»Es… es war nicht mehr draußen im Flur?«
»Nein. Es muss sich innerhalb von Sekundenbruchteilen aufgelöst haben.«
»Ich habe Angst, Chef.«
Zamorra starrte die leere Wand an. Der Spiegelschrank blieb verschwunden. »Ich fürchte, du hast dieses Gefühl nicht ganz grundlos. Dieses Wesen wird wiederkommen. Es hat noch nicht aufgegeben. Von jetzt ab sind wir keine Sekunde mehr sicher. Wir dürfen uns nicht mehr trennen.«
Nicole lächelte zaghaft. Sie begann, ihren Schrecken zu überwinden.
»Ich wünschte mir, du hättest das gleiche unter glücklicheren Umständen zu mir gesagt«, meinte sie.
***
Amad Kartürk sah den alten Mann mit dem wallenden Bart das Hotel auch wieder verlassen. Er musste es sehr eilig haben. Sein Gesicht war totenblass und ebenso weiß wie sein Patriarchenbart.
Er war im Spielclub!, schoss es dem jungen Pagen durch den Kopf.
Und diesmal hat er ganz schön verloren. Das war weit neben die Wahrheit getroffen, wenngleich Genc Yedicule tatsächlich ein wichtiges Spiel verloren hatte.
Der Magier hatte bereits von der Existenz dieses silbernen Amuletts und seiner Wirkung gehört, doch es nicht für denkbar gehalten, dass ausgerechnet dieser Professor aus Frankreich es in seinem Besitz haben würde. Das warf seine Pläne über den Haufen. Er musste sich eine andere Taktik zurechtlegen. Dabei hielt er es für ausgeschlossen, vielleicht durch Diebstahl in den Besitz des Amuletts zu gelangen, das er außerdem nie berühren durfte. Er hätte sich sofort aufgelöst und wäre hinüber ins Schattenreich verbannt worden, wo ihm zwar auch das Ewige Leben zuteil geworden wäre, doch anders, als er sich das vorgestellt hatte.
Yüsürk, der persönliche Referent des Dekans, sah seinen Herrn aus der Lobby kommen und fuhr an. Er öffnete den Wagenschlag von innen, um Genc Yedicule einsteigen zu lassen. Es war unbotmäßig zu fragen, was seinen Herrn so verwirrt hatte, doch dass er überaus durcheinander war, war ihm unschwer anzusehen.
Dann hatte Genc Yedicule seine weiteren Entschlüsse gefasst.
Wenn er schon nicht mit dem Todesdiamanten diesen Zamorra unschädlich machen konnte, mit herkömmlichen Mordinstrumenten würde das bestimmt gelingen. Das Amulett schützte nicht gegen Kugeln aus dem Hinterhalt oder gegen die meuchlerische Klinge eines scharfen Dolches. Und beides war in Istanbul gegen Geld wie in jeder anderen Großstadt auch zu haben.
»Zum Frachthafen«, befahl er mit rauer Stimme.
Die schwere Limousine nahm Fahrt auf. Der Verkehr war nun doch etwas ruhiger geworden. Sie erreichten das verrufene Viertel an den Docks in weniger als fünfzehn Minuten.
»Warte hier«, befahl Genc Yedicule an einer dunklen Ecke zwischen zwei Straßenlaternen. Das Kopfsteinpflaster glänzte feucht vom Tau.
Der Dekan drückte sich an Hausmauern entlang, an denen der Verputz abgebröckelt war und die nackten Steine des Mauerwerks bleckten. Er hatte kein Augen dafür. Es war nicht die Gegend, in der ein Universitätsprofessor verkehrte, und doch fand Yedicule sich zurecht. Eine innere Stimme leitete ihn.
Er erreichte das Kneipenviertel, in dem die Unterwelt und die Halbwelt der Millionenstadt zu Hause war. Mädchen und Frauen lungerten in Toreinfahrten; Häuser mit roten Laternen davor, wiesen dem Kundigen den Weg in die Lasterhöhlen. Doch
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