0054 - Der Zweikampf
Es wurde sofort von der Strömung erfaßt. Nach wenigen Augenblicken war es in den gischtenden Wogen verschwunden. Den Absturz über die Wand aus Fels und Wasser konnte ich nicht mehr beobachten.
Jetzt war es nur fraglich, ob mir Rhodan den „Unfall" abnehmen würde oder nicht.
„Egal, Zeit gewinnen!" sagte mein Logiksektor.
Ich nickte unwillkürlich. Sicherlich war ein kleiner Zeitgewinn extrem wichtig. Rhodan würde gewissenhaft genug sein, die Trümmer des Bootes zu durchsuchen und auch nach meiner Leiche zu fahnden. Dabei setzte ich als selbstverständlich voraus, daß ihm der Gedanke an den gefährlichen Wasserfall kommen würde. Es war durchaus logisch, einen eventuellen Absturz ins Auge zu fassen. Ich war hier fremd, auf der Flucht gewesen, und außerdem hatte der Orkan gewütet. Was lag näher, als zu vermuten, es könne ein Unglück geschehen sein!
Im Schutze der Uferböschung wartete ich das weitere Abflauen des Windes ab. Als mir das Wetter erträglich schien, zog ich die Teleskopglieder des dünnen Steuer- und Energiekontrollknüppels auseinander. Aus dem kleinen Rückentornister wurde ein Fluggerät.
Das Summen des im Rotorkopf eingebauten E-Motors wurde vom hellen Knattern der entfalteten Schraubenblätter übertönt. Sanft glitt ich in die diesige, regenfeuchte Luft empor, jedoch hielt ich mich noch unterhalb der ausladenden Baumkronen, die mir notfalls eine rasch zu erreichende Deckung bieten konnten.
Augenblicke später schäumte unter mir der größte bisher entdeckte Wasserfall des Planeten Venus.
Mich überfiel ein Schaudern, wenn ich daran dachte, daß ich nun mit zerschmetterten Gliedern da unten liegen könnte.
Ich schaltete auf Vorwärtsflug, Mit knapp einhundertfünfzig Kilometern pro Stunde schwebte ich teilweise so dicht über dem Wasserspiegel, daß ich hier und da meine Füße vor plötzlich auftauchenden Felsblöcken in Sicherheit bringen mußte.
Port Venus war mein Ziel. Ich hatte es in tiefer Resignation aufgegeben, auch weiterhin den Verschollenen spielen zu wollen. So leicht ließ sich ein Perry Rhodan nicht täuschen.
Noch vor wenigen Stunden hatte ich mit der Idee geliebäugelt, das große Robotgehirn der Venus unter meine Kontrolle zu bringen. Ich kannte die Anlage sehr genau, und ich wußte auch, wie man durch die einzelnen Notstollen in das Innere der Felshöhlung vordringen konnte.
Nun aber, nachdem Rhodan so folgerichtig meinen Standort aufgespürt hatte, waren all meine Zukunftspläne nichtig geworden. Dieser grauäugige Barbar würde in allererster Linie an die durch mich gefährdete Positronik gedacht haben. Also setzte ich eine überaus scharfe Bewachung des wertvollen Gehirns als selbstverständlich voraus.
Nein, meine große Chance konnte nur noch im Brennpunkt der Geschehnisse liegen, nämlich in Port Venus selbst! Ich hatte eingesehen, daß sich ein Mann von meiner Art nirgends besser verstecken kann als in einer großen Stadt mit turbulentem Betrieb. Irgendwo würde ich mich verbergen können; einmal würde sich die Gelegenheit bieten, auf dem Raumhafen entweder ein überlichtschnelles Boot zu entführen oder unbemerkt auf einen Großraumer einsteigen zu können.
Schon seit Tagen hatte ich meinen Lichtwellenumlenker geschont. Jetzt schaltete ich ihn wieder ein, da nunmehr die Gefahr einer Entdeckung bestand.
Von Rhodans Flugzeugen war nichts zu sehen und zu hören. Wahrscheinlich war der Terraner noch mit dem Verhör beschäftigt, obwohl Vießpahn natürlich nichts aussagen konnte.
Frischer Mut erfüllte mich. Die Situation sah plötzlich nicht mehr so trostlos aus. Ich mußte Port Venus erreichen.
„Wohin?" fragte mein Logiksektor an. „Etwa zu Marlis?"
Nein, das Mädchen war für mich tabu geworden. Ich durfte sie bestenfalls einmal aus größerer Entfernung beobachten.
Während ich immer weiter dem Flußbett folgte und jede Deckung ausnutzte, nahm ich mir vor, ein Schreiben an Perry Rhodan zu richten und darin um Milde für Marlis zu bitten. Sicherlich hatte dieser kluge Barbar längst erkannt, daß sie eine nur untergeordnete Rolle spielte.
„Wohin in Port Venus?" erkundigte sich mein Extragehirn erneut.
Ich ging in Gedanken die einzelnen Möglichkeiten durch, bis mir das große Erdmuseum einfiel. Natürlich - warum sollte ich mich dort nicht verbergen? Die Räume waren groß und unübersichtlich. Wenn wirklich dieser eigenartige Mutant mit seinen seherischen Fähigkeiten auftauchte, konnte ich immer wieder entweichen. Ich hatte auf alle
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