0054 - Wir und der Hellseher
mir noch einen Whisky!«, bat Toretti. »Ich habe ihn nötig.«
Er erhielt den Drink, und über die Theke hinweg begann der Wirt ein Gespräch mit ihm. Toretti war ihm dankbar. Er fürchtete sich, nach Hause zu gehen. Er wünschte, den Professor nicht angerufen zu haben, aber er wünschte auch, die G-men niemals gesehen zu haben. Er verfluchte innerlich die verdammten Schwierigkeiten und Unklarheiten, in denen er steckte, während er laut mit dem Wirt über Baseballspiele des nächsten Wochenendes sprach. Er dachte, dass alles sich in Wohlgefallen auflösen würde, wenn jetzt das Narbenkinn eintreten würde, und er blickte zur Tür, ob Leon Blacktum nicht kam.
Einmal trat ein Gast ein, ein schmaler, dunkler Mann.
»Nur einen Gin gegen Magenschmerzen«, bat er, als der Wirt ihm nichts mehr ausschenken wollte. Er erhielt seinen Gin, trank ihn und ging wieder.
»So, Ben, jetzt muss ich meinen Laden aber wirklich schließen«, sagte der Wirt. »Zwei Dollar zwanzig hast du zu zahlen. Den letzten Schluck nehme ich auf meine Rechnung.«
Ich werde nicht nach Hause gehen, dachte Toretti, während er die Rechnung beglich. Besser, ich schlafe in irgendeinem Hotel. Weder Furner noch die G-men sollen mich überraschen.
Die Straße war völlig leer und verlassen. Obwohl Toretti in solchen Straßen aufgewachsen war, und obwohl er selbst mehr als einmal die Dunkelheit und Einsamkeit solcher Straßen ausgenutzt hatte, fürchtete er sich jetzt vor ihr. Hinter ihm rasselte der Riegel ins Schloss.
Toretti löste sich aus der Türnische und ging schnell davon.
***
Als Ben Toretti eingehängt hatte, stand Furner im Schlafanzug und sah nachdenklich auf den Apparat. Er hasste es, solche Sachen allein entscheiden zu müssen, aber es bestand zu dieser Stunde keine Möglichkeit mehr, Georg Bellow zu erreichen. Georg Bellow konnte man nur sprechen, wenn er es wünschte.
»Eigentlich ist das ein Fehler in der Organisation«, dachte Furner, »aber es ist nur ein Fehler für uns. Wir alle könnten auffliegen, so bliebe von ihm nur ein Name ohne Person.«
Weil aber Ben Toretti durchaus in der Lage war, Til Furner auffliegen zu lassen, musste der Professor seine Entscheidung treffen. Innerhalb von zwei Sekunden entschied er sich für eine radikale Lösung.
Er nahm den Telefonhörer in die Hand und wählte eine Nummer. Als der Teilnehmer sich meldete, sagte er: »Ich habe eine dringende Arbeit für dich, Rico. Sie muss sofort erledigt werden. Komm bei mir vorbei. Ich gebe dir das Bild des Mannes und nenne dir die Einzelheiten. Nimm Bill mit. Es muss lautlos erledigt werden.«
Nach Beendigung des Telefongespräches ging Furner in sein Schlafzimmer. Er schob den Ankleideschrank mit Anstrengung zur Seite und öffnete die dahinter befindliche, in die Wand eingelassene Stahltür.
In den Fächern des Tresors standen Karteikästen und lagen Geschäftsbücher, Unterlagen über die Organisation Georg Bellows, soweit Til Furner sie als Sekretär verwaltete. Hier standen die Abrechnungsunterlagen einer Anzahl von Spielhöllen ebenso wie die Adressen einer Anzahl von Buchmachern, die für Georg Bellow arbeiteten, ohne seinen Namen zu wissen.
Es gab einen Organisationsplan für den Pelzschmuggel aus Kanada, und es gab vor allen Dingen eine Kartei, in der alle Männer und Frauen, die für Georg Bellow arbeiteten, mit Bild und Beschreibung und der Angabe ihrer Lebensgewohnheiten festgehalten waren.
Til Furner liebte diese Kartei. Sie war seine Idee, und Bellow hatte sie sehr gelobt, als er sie ihm gezeigt hatte. Der Professor sorgte dafür, dass die Karten immer auf dem neuesten Stand blieben. Er verbrachte damit manche Stunde.
Er suchte Torettis Karte heraus, las die Notizen durch und betrachte das neue Zeichen, das er vor einigen Wochen 22 angebracht hatte. Bellow selbst hatte es vorgeschlagen, und er hatte brüllend dabei gelacht. Furner kannte den Grund dieses Lachens nicht, denn das Zeichen selbst bot keinen Anlass dazu. Es war ein einfaches großes S, über dem eine kleine Krone schwebte. Der Professor wusste nur, dass dieses Zeichen Bellow neuestes geplantes Unternehmen bezeichnete, ohne zu ahnen, worin das Geschäft bestand.
Sorgfältig auch las Furner die Nummern, die an einer bestimmten Stelle von Torettis Karte verzeichnet waren. Es waren die Nummern der Karteikarten der Männer, die Toretti durch Aussagen vor der Polizei gefährden konnte. Unter anderen befand sich die Nummer 2 darunter, und die Nummer trug Furners eigene
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