0056 - Die Teufelshöhle
Rückzug. Er wollte noch etwas erfahren.
Und er hatte Glück.
Im Schutze des dunklen Schachtes drückte er sich eng an die Wand neben der Treppe. Dann pirschte er sich hinan. Vier Stufen, sechs Stufen hatte er genommen. Da sah er über sich die gelbe Kutte.
Die Furie trug einen großen Buchstaben auf dem Rücken. Ein ›B‹.
War es Batak?
Zamorras Kampfgeist war nun derartig geweckt, dass er an keine Gefahr mehr dachte. Nur im Unterbewusstsein kalkulierte er diese ein.
Noch weitere vier Stufen wagte er sich auf der Treppe voran. Er sah, wie die Gelbe Furie in einem Seitenkorridor verschwand.
Nun setzte Zamorra alles auf eine Karte.
Er nahm die letzten sechs Stufen in zwei gewaltigen Sprüngen. Als er das obere Ende erreichte, sah er die Furie im Seitengang stehen.
Der Sklave des Shuri drückte gerade drei schwere Hebel eines Mechanismus herunter.
Und Zamorra wusste, dass dieser Hebeldruck sein eigenes Todesurteil sein sollte!
Wenn ihr mich wollt, dann werde ich mindestens einen von euch mitnehmen!
Der Sklave mit dem ›B‹ auf dem Rücken hatte noch keinen Verdacht geschöpft.
»He, du!«, rief Zamorra ihm auf Englisch zu. »Bist du Batak?«
Der andere fuhr herum.
»Natürlich bin ich…« Er brachte den Satz nicht zu Ende.
Sein Mund stand weit offen. Seine Kiefer schienen verkrampft zu sein.
»Dachte ich mir’s doch«, sagte Zamorra ruhig.
Mit dem Folgenden rechnete Batak nicht.
Zamorras Hand fuhr an die rechte Seite seines Gürtels. Neben den Patronen hing eines jener Messer, die man im Busch gut gebrauchen konnte. Aber ein geübter Schütze konnte sie ebenfalls gut als Wurfmesser verwenden.
Eine Sekunde später flog das Messer durch die Luft.
Die schnelle Bewegung, mit der Zamorra das Messer wegschleuderte, gab dem Wurfgeschoss eine unheimliche Fliehkraft.
Gleich darauf bohrte es sich in Bataks Brust.
Batak, der ehemalige Anführer, stürzte zu Boden. Regungslos blieb er liegen.
Zamorra machte auf den Absätzen kehrt und lief die Treppe mit schnellen Sätzen hinunter.
***
Das Rauschen über ihm wurde bedrohlich. Von der gedämpften Musik war nichts mehr zu hören.
Jetzt sang das Wasser sein unheimliches Lied!
Und erst jetzt, als Zamorra wieder im Hauptschacht war, begann er, sich seine Chance auszurechnen. Die drei Schächte, die das Wasser in den Hauptschacht führten, hatten so breite Öffnungen, dass Zamorra mit dem Herausschießen großer Wassermengen rechnen musste.
Zehn bis zwölf Kubikmeter pro Sekunde! Das hieß, dass der Schacht in weniger als einer Minute überflutet sein würde!
Das Wasser selbst machte Zamorra nichts aus. Er würde sich als guter Schwimmer gegen jede Menge von Wasser behaupten.
Aber dem ungeheuren Druck dieses heranstürzenden Wassers hatte er nichts entgegenzusetzen.
Er lief um sein Leben.
Und er rechnete.
In seinen besten Tagen der Jugend war er ein enorm schneller Läufer gewesen. Er hatte die hundert Meter in 10,4 Sekunden hinter sich gebracht. Das war mehr als Überdurchschnitt. Liefen nicht heute noch Olympiasieger manchmal bei den Vorläufen diese Zeit?
Aber das war jetzt unwichtig. Vierhundert Meter – das bedeutete also mehr als einundvierzig Sekunden. Aber in den guten Tagen!
Und im Sportdress!
Nicht mit einem Khaki-Anzug am Leib! Und nicht mit diesen schweren Dschungelschuhen!
Wie schnell würde das Wasser sein? Mit welcher Wucht würde es ihn hinausschleudern, ihn mit dem Wasserfall in die Tiefe reißen?
Viel lieber hätte Zamorra alle Furien dieses Tempels hinter sich gehabt! Vor solchen Verfolgern würde er nicht davonlaufen! Er würde sich ihnen stellen und sich teuer verkaufen!
Aber gegen die Macht des Wassers gab es keine Waffe. Und nirgends im Schacht war ein Vorsprung, eine Vertiefung oder eine Wurzel, die zeitweise Schutz geboten hätten!
Die Wände des Schachtes waren glatt und schlüpfrig wie der Boden. Hier würde keine menschliche Hand Halt finden.
Und Zamorra lief.
Schon hörte er die ungeheuren Massen aus den Kanälen hinter sich in den Schacht schießen. Und schon war das Wasser hinter ihm her. In hohen Wogen kam es heran, drohte ihn einzuholen und wegzufegen, wie ein welkes Blatt.
Mit jedem Schritt wurde zwar der Abstand zum Ausgang geringer, aber von Sekunde zu Sekunde nahm auch das gurgelnde, glucksende Schmatzen des Wassers hinter Zamorra zu.
Nur eine Sekunde Verzögerung würde endgültig sein Leben kosten.
Zamorra nahm seine Chance wahr. Er sah sich nicht um. Entkommen oder vernichtet werden. Es gab nur
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