0057 - Finger weg von solchen Sachen
Hatte er sie von dem Mädchen?
Margy… Du lieber Himmel, was soll man mit diesem Namen anfangen? Margys gibt es in den Staaten wie Stecknadeln in einem Schneiderladen. Ich wühlte also weiter.
Persönliche Papiere ohne Interesse für mich. Ein paar Briefe von jemandem, der unterschrieben hatte mit »Your Daddy«, also offensichtlich der Vater des Jungen. Ich suchte aufgeregt das übliche Register für Adressen, das in allen diesen Büchlein zu finden ist.
Ganz hinten war es. Ich suchte Seite für Seite durch. Endlich hatte ich es entdeckt: Unter L stand sie: »Margy Leccon, 2134, 98. Straße, 17. Stock, Flur C, 487. Apartment.«
Ich prägte mir die Anschrift ein, wozu ich nur zweimal hinzusehen brauchte. Dann schob ich kurz entschlossen alle Papiere in meine Rocktasche, warf die Kleider zurück in den Schrank und ging wieder hinunter zu Doc Oberlander.
Dort erwartete mich die zweite Überraschung.
»Wer wußte von der Rauschgiftsucht des Jungen?« fragte ich.
»Nur mein erster Assistenzarzt.«
»Hat er mit irgend jemand darüber gesprochen?«
»Er sagt nein. Er dürfte auch kaum Zeit dazu gehabt haben, denn bei uns kam heute eine Operation nach der anderen.«
»Hm. Und wer wußte davon, daß der Junge unter der Narkose meinen und Jacksons Namen erwähnte?«
»Nur die beiden Operationsschwestern und die bei der Operation anwesenden Ärzte.«
»Hat von denen irgendeiner mit irgend jemand darüber gesprochen?«
»Sie sagen alle, daß sie’s nicht getan hätten, weil sie ja gar keine Zeit dazu gehabt hätten. Sonst hätten sie wahrscheinlich schon mit anderen Leuten vom Personal darüber geredet. Aber wie gesagt, sie hatten keine Zeit dazu, denn eine Operation jagte die andere. Und dabei muß man sich so konzentrieren, daß man sowieso alles andere vergißt und wenn es noch so seltsam erscheint.«
»Hm. Aber irgendwoher muß der Mörder doch erfahren haben, daß der Junge hier in diesem Krankenhaus in einem bestimmten Zimmer liegt.«
»Ich weiß nicht, woher«, sagte der Arzt ratlos. »Aber ich wollte Ihnen etwas anderes sagen.«
»Nämlich?«
»Das Mädchen hat angerufen.«
»Welches? Das sich heute nachmittag schon nach der Zimmernummer des Jungen erkundigt hatte?«
»Ja, das.«
»Woher weiß man, daß es wirklich dieses Mädchen war?«
»Die Schwester an der Auskunft behauptet steif und fest, daß sie die Stimme des Mädchen wiedererkannt hätte.«
»Und was hat man ihr gesagt?«
»Das ist es ja, was mich so empört! Die Schwester hat in einem Anfall von weiblicher Schwatzhaftigkeit erzählt, daß der Junge vor einer halben Stunde ungefähr von einem unbekannten Gangster in seinem Zimmer erschossen worden ist! Das ist zum Auswachsen mit diesem elenden Weibervolk! Nicht einmal den Mund halten können sie!«
Nun, seine Verzweiflung galt vermutlich in erster Linie der Tatsache, daß sich nun die Presse mit diesem ungewöhnlichen Fall beschäftigen würde. Es kommt ja wirklich nicht alle Tage vor, daß jemand am hellichten Tag in einem Krankenhaus erschossen wird.
Ich preßte meine Lippen zusammen und überlegte. Zuerst ruft das Mädchen an, in welchem Zimmer der Junge liegt.
Dann kommt ein Gangster und bringt den Jungen um.
Danach ruft das Mädchen wieder an, um sich anscheinend harmlos nach dem Befinden des Jungen zu erkundigen.
Oder wollte sie vielleicht in Wahrheit nur erfahren, ob der mörderische Plan ausgeführt worden war? Ob alles geklappt hatte?
Ich drückte Doc Oberlander rasch entschlossen die Hand.
»Ich werde wiederkommen. Im Augenblick muß ich einen interessanten Besuch machen. Bye, bye.«
Die Tür fiel hinter mir zu. Vor meinem geistigen Auge stand ein blondes Mädchen mit kurzgeschnittenen Haaren in einem weißen Pullover.
War dort der Anfang des Fadens, der das Knäuel entwirren konnte?
***
Ich stieg in meinen Jaguar und fuhr ab. Es war inzwischen ungefähr sechs Uhr nachmittags geworden. Aus den Geschäften und Büros der City quoll ein Strom lachender, schwatzender, abgespannter oder auch vergnügungssüchtiger Menschen. Man konnte fast nur im Schritt fahren, so verstopft waren die Straßen.
Ich sah Gesichter, Gestalten, Gesichter. Viele Frauen darunter. Unter diesen Frauen wahrscheinlich viele Mütter, die irgendwo jetzt ihr Kind hatten, während sie selbst arbeiteten. Dachten sie an Babykiller Jackson?
Es ist nicht leicht, als G-man plötzlich die Verantwortung für einige zigtausend Kinder aufgebürdet zu bekommen. Ich konnte nicht wissen, ob diese Bestie nicht
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