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0057 - Finger weg von solchen Sachen

0057 - Finger weg von solchen Sachen

Titel: 0057 - Finger weg von solchen Sachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Kobusch
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doch einleuchtend, daß dieser Kindesmörder einen Mann zu beseitigen versuchte, der ihm gefährlich werden konnte!«
    »Das ja. Aber können Sie mir sagen, woher dieser Jackson oder wie er sonst heißen mag, woher dieser Mörder überhaupt wissen kohnte, daß dieser Junge ihn verraten wollte und daß er ihn im Krankenhaus in einem bestimmten Zimmer finden würde?«
    Doc Oberlander machte ein betroffenes Gesicht.
    »Richtig«, sagte er tonlos. »Der Mörder mußte ja wissen, daß er keine Zeit zu verlieren hatte. Er mußte außerdem wissen, in welchem Zimmer der Junge lag. Denn er konnte ja nicht jedes Zimmer einzeln nach dem Jungen absuchen!«
    Ich steckte mir eine Zigarette an. Doc Oberlander stand auf und ging erregt hin und her. Plötzlich blieb er stehen und nahm den Telefonhörer in die Hand.
    »Hallo«, sagte er, nachdem er eine zweistellige Nummer gewählt hatte.
    »Oberlander. Hat sich heute nachmittag ein Mann danach erkundigt, auf welchem Zimmer der schwere Verkehrsunfall liegt, der gegen zwei bei uns eingeliefert wurde?«
    Er lauschte eine Weile angestrengt, dann legte er den Hörer auf.
    »Nun?« fragte ich.
    »Kein Mann, sondern ein Mädchen.«
    »Ein Mädchen?«
    Mir fiel sofort ein, daß Phil den Jungen mit einem Mädchen zusammen in dem hellblauen Ford gesehen hatte.
    »Wie sah sie aus?« fragte ich.
    »Die Schwester weiß nur, daß sie kurzgeschnittenes blondes Haar hatte und einen weißen Pullover trug.«
    Das war sie. Das war das Mädchen, mit dem der Junge im Wagen gesessen hatte, als ich ihn gestoppt hatte wegen seiner verrückten Raserei. Verdammt, hätte ich doch länger mit ihm gesprochen, statt ihn einfach dem Motorradfahrer der Stadtpolizei zu überlassen.
    Hätte! Hätte! höhnte etwas in meinem Gehirn. Manchmal ist es zum Auswachsen. Man macht sich Vorwürfe wegen einiger Dinge, die man beim besten Willen nicht ahnen konnte.
    »Wo sind die Kleider, die der Junge trug, als man ihn einlieferte?«
    »Oben in dem Kleiderschrank des Zimmers, in dem er liegt.«
    »Ich muß sie mir ansehen. Sie brauchen mich nicht unbedingt zu begleiten, ich finde das Zimmer schon wieder. Vielleicht können Sie inzwischen feststellen, wer alles davon wußte, daß der Junge als rauschgiftsüchtig erkannt wurde.«
    Oberlander nickte.
    »Ich werde versuchen, das genau herauszufinden.«
    Ich ging wieder hinauf. Eine Weile blieb ich noch einmal vor dem Bett des Jungen stehen. Und mir kam, als ich dieses wachsgelbe Antlitz betrachtete, ein furchtbarer Gedanke.
    Wie nun, wenn diese verrückte Raserei von dem Jungen absichtlich angestellt worden war, weil man ihn beobachtete, und weil er keine andere Möglichkeit sah, unauffällig in ein Gespräch mit mir zu geraten? Ich hatte ihm nicht die leiseste Chance gegeben, etwas zu sagen. Verdammt noch mal, warum hatte ich nicht?
    Selbstvorwürfe sind der Tod jeder Arbeit. Dieser Satz eines klugen FBI-Lehrers von einer der FBI-Schulen fiel mir noch rechtzeitig genug ein, so daß er mich vor einem fruchtlosen, quälerischen Grübeln bewahrte.
    Ich deckte das Laken wieder über seinen Kopf.
    Dann öffnete ich den Kleiderschrank. Seine Sachen waren blutverschmiert. Ich breitete sie im Zimmer aus und durchsuchte sie genau.
    Sechzehn harmlose Zigaretten, ein Feuerzeug, ein Taschenmesser, ein Taschenwörterbuch der französischen Sprache, zwei abgerissene Kinokarten, ein Billet für ein Jazzkonzert in der Milton Hall, ein sauberes, ein benutztes Taschentuch, eine Geldbörse mit vierundzwanzig Cent in Münzen und sechs Dollar in Eindollarnoten. Das holte ich aus seinen Hosentaschen.
    Aus dem Futter seines Jacketts angelte ich mir seine Brieftasche. Sie war an den Rändern mit Blut beschmiert, hatte aber die in ihr enthaltenen Papiere einigermaßen dagegen geschützt.
    Ich legte mir ein Taschentuch um die Fingerspitzen und breitete die Papiere auf den sauberen Fliesen des Fußbodens auseinander. Ein ganzer Stapel von Fotos zeigte ihn offenbar inmitten seiner Klassenkameraden. Manchmal war auch das Mädchen dabei, wenn ich mich nicht irrte und sie mit einer anderen verwechselte. So genau hatte ich sie ja schließlich nicht angesehen, als ich seinen Wagen gestoppt und ihm Bescheid gesagt hatte. Dann kam eine Großaufnahme von ihr.
    Ich drehte das Bild um.
    »In Love, your Margy« stand darauf.
    In Liebe, deine Margy. Soso. Aber diese Margy war bis jetzt der einzige Mensch, der außerhalb des Krankenhauses wußte, wo der Junge lag. Und diese Kenntnis mußte auch der Mörder gehabt haben.

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