0058 - Meer der mordenden Hände
Meter zurück, überschlug sich, kam wieder auf die Beine. Quentin Paris verfolgte den mörderischen Kampf mit schockgeweiteten Augen.
Das Ungeheuer wuchtete sich dem Professor entgegen. Es riss das Maul auf. Zamorra starrte in einen glühenden Rachen. Ehe das Scheusal zubeißen konnte, federte Zamorra zur Seite.
Mit Schwung fegte er sich den silbernen Talisman vom Hals. Er hoffte, damit genügend Wirkung zu erzielen. Zum zweitenmal schnappte das fürchterliche Maul nach ihm.
Jetzt schlug er zu. Das Amulett traf das Monster seitlich am Kopf.
Der Hieb fällte das Ungeheuer. Es brüllte und wand sich unter unsäglichen Schmerzen. Zamorra nützte seine Chance. Er stürzte sich auf die Bestie und gab ihr mit zwei weiteren Schlägen den Rest.
Ein Knirschen und Knacken ging durch den zu Boden gefallenen Körper. Plötzlich fing er an zu schillern und zu glitzern. Er wurde feucht, nass, begann zu fließen und versickerte wenige Augenblicke später im grobkörnigen Sand.
Das Ende des Scheusals bekam Quentin Paris jedoch nicht mehr mit. Vom ersten Tag an, als er Jodie Wofford begegnete, betete er sie an. Er hatte ihr, genau wie Alain, den Hof gemacht, und sie hatte sich für Alain entschieden, was er schweren Herzens akzeptierte.
Doch nun fühlte er sich von diesem Mädchen auf eine so starke Weise angezogen, dass er den unbändigen Wunsch in sich verspürte, sie in seine Arme zu nehmen.
Sie hob ihre Hände. Ihre Finger schienen irgend etwas in die Luft zu kritzeln. Es waren magische Zeichen, doch das wusste Quentin Paris nicht. Er stand jetzt ganz im Bann dieser gefährlichen Hexe.
Mit hoch oben im Hals schlagendem Herzen ging er auf sie zu.
Sie lächelte. Heiser sagte sie: »Mein lieber Quentin!« Das Wort ›lieber‹ zog sie singend in die Länge. »Wie freue ich mich, dich wiederzusehen.«
Er wankte benommen auf ihre ausgebreiteten Arme zu. »Ich auch, Jodie. Ich freue mich auch!« Sie konnte ihn mit ihren tauben Ohren nicht hören. Aber das wusste er nicht. Begeistert machte er den letzten Schritt.
Zamorra überlief es eiskalt, als er das sah. Jodie Woffords Gesicht versteinerte von einem Lidschlag zum andern. Ihre Hände schossen auf Paris zu. Sie packte ihn mit einem erfreuten Kreischen, riss ihn herum, zwang ihn in die Knie. Ihre Rechte krallte sich in Quentins schütteres Haar. Mit der Linken versetzte sie ihm einige furchtbare Hiebe. Dann erfasste sie seinen Kopf mit beiden Händen.
Sie wollte ihm mit einem schnellen Ruck das Genick brechen.
Da griff Zamorra ein. Mit einem Amulettschlag trieb er Jodie Wofford von Paris weg.
Quentin fiel in den Sand und heulte vor Wut, Schmerz und Enttäuschung.
Jodie griff Zamorra mit einem hasserfüllten Fauchen an. Der Professor ließ die Marionette des Dämons kommen. Er hebelte sie aus und schleuderte sie kraftvoll auf den Boden. Ehe sich Jodie erheben konnte, war er über ihr.
Blitzschnell schlang er ihr die Silberkette seines Amuletts um den Hals.
Das war das Ende für Jodie. Nachdem sie ihren unseligen Geist ausgehaucht hatte, blieb auch von ihr nichts weiter übrig als ein nasser Fleck im Sand.
Keuchend erhob sich Zamorra. Die Anstrengung hatte ihm viel von seinen Kräften geraubt. Er atmete mehrmals tief durch. Seine Knie zitterten. Vihambatas Taktik war ihm nun klar. Der Dämon schwächte ihn, indem er ihm solche Figuren vorsetzte. Und zum Schluss, wenn Zamorra schon so erschöpft war, dass er auf allen vieren kroch, würde ihm der große, mächtige Vihambata gegenübertreten, um ihn für sein Eindringen in dieses Reich zu bestrafen und auf eine grausame Weise zu vernichten.
***
Zamorra half Quentin Paris hoch. Der Mann von der Wetterstation Tonga war völlig verstört. Kreidebleich war sein Gesicht. Immer wieder durchlief ihn ein nervöses Zittern.
»Na«, sagte Zamorra ernst. »Sind Sie immer noch der Meinung, dass ich verrückt bin, Quentin?«
»Es war furchtbar«, sagte Paris heiser. »Es war grauenvoll, Professor.«
»Hoffentlich hören Sie in Zukunft besser auf mich!«, knurrte Zamorra. Er brachte den Mann zu Nicole und Bil-Bil zurück.
Der Sohn des Fischers sagte mit bebenden Lippen: »Ich kann ihn trotzdem verstehen, Professor. Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn mir hier unten plötzlich Ahao erscheinen würde…«
»Falls du sie siehst, musst du dir immer wieder sagen, dass das nicht deine Ahao ist. Du kannst hier unten nicht jenes Mädchen sehen, das du auf deiner Insel geliebt hast. Hier unten regiert das Böse. Und nur das
Weitere Kostenlose Bücher