006 - Der Fluch der blutenden Augen
einfach, dafür brauchen Sie
es auch nicht umsonst zu machen. Ich werde nicht kleinlich sein, wenn Sie zu
meiner Zufriedenheit arbeiten.«
»Mister Brent«, die Stimme des Nachtportiers klang noch öliger.
»Unsere Gäste sollen sich wohl fühlen, das ist ein Prinzip unseres Hauses.«
Larry nickte müde, während sein Blick über das unordentliche Zimmer
schweifte, und es lag ihm schon eine Bemerkung auf der Zunge, die er im letzten
Moment aber doch nicht aussprach.
»Blättern Sie das Gästebuch durch, und stellen Sie fest, wer in den – sagen
wir – vergangenen sechs Monaten alles in dem Zimmer gewohnt hat, in dem ich im
Augenblick übernachte.«
»Aber Sir, ich ...«
»Die Zufriedenheit des Gastes ist wichtig, sagten Sie das nicht? Übrigens:
Wenn Sie zufällig bei Ihrer Arbeit auf den Namen Robertson stoßen sollten,
informieren Sie mich bitte!«
»Ich werde mich bemühen, Sir.«
»Danke! Sie werden es nicht bereuen!«
Larry legte auf. Für einen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, Scotland
Yard von dem Überfall zu erzählen, doch dann unterließ er es. Er durfte und
konnte nicht unnötig die Polizei auf sich aufmerksam machen. Er suchte das Bad
auf und riss sich endlich die kalten und nassen Kleider vom Körper, während
heißes Wasser in die Wanne lief. Als er darin saß, fühlte er, wie seine
erkalteten und erstarrten Glieder langsam auftauten. Die Wärme kroch in seinen
Körper.
Was wollte man von ihm?
Die Blutenden Augen? Was verbarg
sich hinter dieser Bezeichnung? Und wieso nannte man ihn Robertson?
Letzteres war einfach zu erklären. Man verwechselte ihn. Aber war so etwas
in der Art, wie es ihm bisher geschehen war, überhaupt möglich?
Man wollte etwas von ihm, man hatte sich an seine Fersen geheftet. Ein
gefährliches Spiel hatte begonnen, und Larry war entschlossen, es bis zum Ende
zu spielen. Er war in eine Sache hineingeschlittert, von der er nicht die
geringste Ahnung hatte. Aber sie trug alle Zeichen des Verbrechens an sich. Er
hätte den Dingen ausweichen können, wenn er diesen Ort einfach verlassen, bei
Nacht und Nebel ein Flugzeug bestiegen hätte, und nach New York geflogen wäre.
Doch die Dinge fingen nicht nur an ihn zu interessieren, sie erforderten auch
sein Eingreifen als PSA-Agent. Zum ersten Mal seit seinem Einsatz für die
Psychoanalytische Spezialabteilung war ein Fall eingetreten, wo er aus eigenem
Gutdünken über seinen Einsatz entscheiden oder ihn ablehnen konnte.
Er entschloss sich für das Erste.
Die geheimnisvollen Dinge mussten einen Sinn haben.
Seine Gegner würden wiederkommen. Diesmal aber konnten sie ihn nicht mehr
überraschen. Er war gewarnt und auf sie eingestellt.
Larrys Haut prickelte, und er fühlte, wie die Wärme alle Lebensgeister in
ihm weckte und ihn gleichzeitig wohlig ermüdete.
Er merkte nicht, wie ihm die Augen zufielen und er in der Badewanne einschlief.
●
Die Sonne schien hell durch das Fenster. Die Wolkendecke war aufgerissen.
Larry Brent wurde wach. Er warf einen Blick auf die Uhr. Es war wenige
Minuten nach zehn. So lange hatte er nicht schlafen wollen, doch sein
erschöpfter, ausgepumpter Körper hatte sein Recht gefordert. Er erinnerte sich,
dass er in der Nacht einmal aufgewacht war. In der Badewanne. Doch er wusste
nicht mehr, wie er ins Bett gefunden hatte.
Er stand sofort auf, duschte eiskalt, rasierte sich und kleidete sich an.
Dann begab er sich daran, sein Zimmer notdürftig zurechtzumachen, damit die
Zimmermädchen, wenn sie nachher kamen, nicht das Gefühl hatten, ein Vandale
würde hier hausen, der sich ein Vergnügen daraus machte, Tische und Stühle
umzuwerfen, Teppiche umzukrempeln und sämtliche Kleidungsstücke aus dem Schrank
zu reißen.
Danach bat er, das Frühstück auf sein Zimmer zu bringen. Er brauchte keine
zehn Minuten zu warten, da klopfte es an seine Tür.
»Ja, bitte!«
Ein hübsches Mädchen, frisch, gepflegt, mit schwarzem Kleid und einer
blütenweißen, gestärkten Schürze, trat ein. Sie war höchstens achtzehn Jahre
alt. »Guten Morgen, Sir!«
»Guten Morgen!« Larry Brent war gutgelaunt. Er sah zu, wie das Mädchen den
Tisch deckte und ihm schließlich einen verschlossenen Umschlag überreichte.
»Von Mister Jondriks, dem Nachtportier.«
Larry nahm das Kuvert in Empfang und gab ihr ein anständiges Trinkgeld.
»Vielen Dank, Sir!«
Larry grinste, während sie zur Tür ging, und sah ihr nach. Ihr Kleid war
sehr knapp, so dass ein Teil ihrer Schenkel zu sehen war. Sie hatte
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