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006 - Der Fluch der blutenden Augen

006 - Der Fluch der blutenden Augen

Titel: 006 - Der Fluch der blutenden Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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Geräusche. Doch das Haus lag in völliger
Stille.
    Das endlose, sternenübersäte Zelt des nächtlichen Himmels spannte sich
lautlos über die Einsamkeit, die nur von dem leisen Säuseln eines trockenen,
warmen, von der Wüste herkommenden Windes unterbrochen wurde.
    Die Türen des Hauses waren verschlossen. Oliver Sholtres wählte den Weg
über ein Fenster, das er mit seinem Taschenmesser öffnete. Federnd sprang er in
den dunklen Raum. Er sah Kerzen und eine Petroleumleuchte auf dem flachen
Schrank neben einem überfüllten Bücherbrett stehen. Doch er zündete kein Licht
an. Er fand sich auch so zurecht, der sternenklare Himmel spendete so viel
Licht, dass das Zimmer, in dem er sich bewegte, gut zu übersehen war.
    Es war Shenas Schlafraum. Wie in allen Zimmern des abgelegenen alten
Hauses, gab es auch hier kein elektrisches Licht.
    Oliver Sholtres durchsuchte das Haus vom Keller bis zum Speicher, immer
wieder leise den Namen des Freundes rufend: »Shena?!«
    Auf dem Schreibtisch im Arbeitszimmer lag ein Stoß ungeordneten
Manuskriptpapiers.
    Oliver Sholtres riss ein Streichholz an und warf einen Blick über die
handschriftlichen Notizen, ein wildes Durcheinander von Gedanken. Shena hatte
spontan seine Einfälle notiert, die noch geordnet werden mussten.
    Da hörte Oliver ein Geräusch vor dem Haus. Das Gatter schlug zu,
schlurfende Schritte näherten sich dem Eingang. Oliver blies das Zündholz aus,
wich in das Dunkel des Zimmers zurück und lauschte.
    Schritte vor der Tür! Jemand bemühte sich verzweifelt, das Schloss zu
öffnen. Quietschend öffnete sich die schwere Bohlentür. Ein Körper stürzte zu
Boden, jemand keuchte und schleifte über den Boden. Auf Zehenspitzen huschte
Oliver Sholtres zur Zimmertür und blickte hinaus auf den dunklen, fast
quadratischen Korridor.
    Die Gestalt kroch über den Boden. Im Sternenlicht, das durch die
halbgeöffnete Tür hereinfiel, erkannte Oliver Sholtres den Verletzten, dessen
Kleidung an zahlreichen Stellen aufgerissen und blutdurchtränkt war. »Shena!« kam
es ungläubig über seine Lippen, dann stürzte er auf die kriechende Gestalt zu.
    Er trug den Freund in das Zimmer und bettete ihn auf eine Liege.
    Das Gesicht des jungen Inders war schweißüberströmt. In den fiebernden
Augen standen die Anspannung und die Angst zu lesen, die Shena durchgemacht
hatte.
    Wortlos versorgte Oliver Sholtres die Wunden des Verletzten. Zum Glück gab
es ein gut eingerichtetes Medikamentenschränkchen mit genügend Verbandstoff und
antiseptischen Wundmitteln. Die linke Schulter und der Oberarm des Inders waren
von einer Klinge aufgeschlitzt worden. Shena hatte viel Blut verloren. Er war
erschreckend matt, atmete schwer, und sein Körper fühlte sich heiß an.
    »Ich werde einen Arzt herbeischaffen!« Das waren Oliver Sholtres erste
Worte, noch ehe er überhaupt wusste, was geschehen war.
    Shena schüttelte kaum sichtbar den Kopf. »Das hat noch Zeit, Oliver. – Ich
weiß nicht, weshalb du hier in meinem Haus bist – aber dich schickt der
Himmel!«
    »Du sollst nicht so viel sprechen. Du brauchst jetzt Ruhe.«
    Der Inder reagierte überhaupt nicht auf die Bemerkung. »Lösche die Kerze
wieder, sie dürfen den Lichtschein nicht sehen, falls sie mir noch auf den
Fersen sind. Oliver, es war grässlich, doch ich bin ihnen entkommen.«
    Oliver tupfte den Schweiß von der Stirn des Freundes, nachdem er die Kerze
ausgeblasen hatte. Er lauschte auf die Geräusche außerhalb des Hauses. Nichts
Verdächtiges. Nur der Wind säuselte unter dem undichten Dach, pfiff durch
Ritzen und Löcher.
    Gierig trank Shena das Wasser, das Oliver Sholtres ihm ständig reichte.
»Ich bin seit zwei Tagen ohne Wasser, ohne Nahrung, Oliver.« Shenas Augenlider
waren nur spaltbreit geöffnet. Seine Stimme klang schwach und kraftlos. »Ich
habe – kurz nach Aufgabe der Depesche noch einmal die Felsengruppe bei Mount
Abu aufgesucht. Ich folgte einem Mann, einem Anhänger der verbotenen Sekte der
blutdürstigen Göttin Kali, und gelangte in den rätselhaften Tempel, in den Tempel der Toten , der, wie du sicher
weißt, vor einigen Jahren von den beiden englischen Forschern Robertson und
Waverlean aufgefunden und freigelegt wurde.«
    Oliver Sholtres nickte. Er hatte die sensationelle Zeitungsmeldung noch gut
im Gedächtnis.
    »Es war seinerzeit nur die Rede von dem Tempel
der Toten , nicht aber von den Hintergründen, die die entscheidende Rolle
spielten.« Shenas Stimme war nur ein Flüstern. Er war so abwesend, dass

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