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006 - Der lebende Leichnam

006 - Der lebende Leichnam

Titel: 006 - Der lebende Leichnam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Randa
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Spiel.
    Zumindest meine körperliche Freiheit … und die ist mir am wichtigsten. Ohne Marie muss Fautrier wohl oder übel alles glauben, was ich ihm erzählen werde. Ich werde ihm eine Ersatzwahrheit auftischen, die er akzeptieren wird, wenn auch widerwillig.
    Auf jeden Fall habe ich nicht die Absicht, in einer Klinik oder im Gefängnis zu verschimmeln. Deshalb muss ich mich von jedem Verdacht befreien und die Einstellung des Verfahrens erreichen.
    Ohne meine neuen Fähigkeiten wäre mir das unmöglich, aber mit ihrer Hilfe ist es gar kein Problem. Mireille ist hinausgegangen, um mein Essen zu holen. Sie stellt meinen Teller auf den Schwenktisch und dreht diesen zu mir hin.
    »Was ist das hier für eine Gegend?«
    »Courbevoie.«
    Gar nicht weit von Paris entfernt. Es müsste möglich sein, von hier zu verschwinden und in die Stadt zu kommen, aber dazu müsste ich meinen Körper für ziemlich lange Zeit verlassen. Für mehrere Stunden.
    Zunächst werde ich nach dem Essen ein wenig ruhen. Man hat mir ein blutiges Steak zubereitet, so wie ich es gern mag. Es ist kaum größer als sonst.
    Das übrige Essen erscheint mir geschmacklos und interessiert mich nicht. Sogar das Gemüse – Zuckererbsen, die ich früher so gern aß – lässt mich kalt. Ich habe das Gefühl, dass mir herkömmliches Essen nicht mehr bekommt.
    Ich träume davon, frei zu sein. Wenn ich hier herauskomme und wieder unter Menschen bin, werde ich mit den Fähigkeiten, die ich in mir entdeckt habe, alles tun können, was mir gefällt. Ja, alles.
    Voraussetzung dafür ist, dass ich Marie Sauyage, aus dem Weg räume. Ich lächle, selbstzufrieden. Ich habe keinen Grund, zu zögern. Ich bin doch kein Idiot.
    Mireille schläft in einem kleinen Zimmer neben dem meinen. Zwischen den beiden Räumen ist eine Verbindungstür. Auf diese Weise kann sie jederzeit bei mir sein, wenn ich sie brauche. Ich stelle mich schlafend, während sie sich für die Nacht vorbereitet.
    Ich weiß, dass sie sich jetzt gern mit mir unterhalten würde, aber ich ziehe es vor, zu schweigen, weil ich scharf nachdenken muss. Meinen Körper verlassen, Gedanken lesen und damit Gesprächspartner beeinflussen zu können, das bedeutet Macht, Reichtum und Straflosigkeit.
    Wenn ich Marlats Klinik verlasse, werde ich Mireille mitnehmen, dass sie mich weiterhin pflegt. Auch wenn ich vollständig wiederhergestellt zu sein scheine, das heißt, wenn ich wieder im Vollbesitz meiner körperlichen Kräfte bin, wird es doch ab und zu Vorkommen, dass ich das Bewusstsein verliere. Mireille wird sich meiner annehmen. Ich möchte, dass jemand, der mir ergeben ist, über meinen Körper wacht, wenn ich ihn verlasse.
    Ich höre nebenan die Metallfedern des Bettes leise quietschen. Mireille hat sich schlafen gelegt. Es ist Mitternacht. Gut. Der richtige Augenblick. Ich verlasse meinen Körper und begebe mich zur Tür.
    Vorsichtig öffne ich sie und gleite auf den Gang hinaus. Ich schließe die Tür hinter mir, so leise ich kann, dann mache ich mich auf den Weg. Zunächst aufs Geratewohl, denn ich kenne mich in der Klinik ja noch nicht aus.
    Den Aufzug nehmen kommt nicht in Frage. Ich müsste wieder Türen öffnen und schließen. Ich gehe zur Treppe. Die Gänge sind nur schwach erleuchtet. Eine Etage, und ich gelange in die große Eingangshalle.
    Die Empfangsschwester ist in ein Buch vertieft. Ich gehe an ihrer Loge vorbei und nähere mich der großen zweiflügligen Glastür. Es ist eine jener Türen, die sich automatisch öffnen. Mit Fotozelle.
    Draußen regnet es. Das macht mir nichts aus. Ich drehe mich nach der Empfangsschwester um. Sie liest noch immer. Ausgezeichnet. Ich gehe weiter. Man wird sagen, es sei der Wind gewesen. Schon bin ich im Hof.
    Der Regen peitscht mir ins Gesicht. Immer dieses Gefühl, körperlich vorhanden zu sein, obwohl man mich nicht sehen kann. Ich überquere den Hof. Das Tor ist geöffnet. Alles klappt wie am Schnürchen. Ich blicke noch einmal zur Klinik zurück, dann orientiere ich mich.
    Ich kenne Courbevoie. Ausgezeichnet. Ich werde leicht zurückfinden. Zu blöd, wenn ich mich verirren würde und nicht mehr in meinen Körper zurückkehren könnte. Lachend mache ich mich auf den Weg nach Paris.
     

     
    Nur wenige Leute sind unterwegs. Ich gehe rasch, fange an zu laufen. Dabei gerate ich weder außer Atem, noch verspüre ich die geringste Müdigkeit.
    Plötzlich, an einer Straßenecke, kommt mir eine Frau entgegen. Ich kann nicht rechtzeitig bremsen und stoße mit ihr

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